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Das Jahr, das den Sport in den Grundfesten erschütterte

Es hätte das Sportjahr der Superlative werden sollen: Fussball-EM, Olympia in Tokio, zudem Eishockey- und Rad-WM in der Schweiz. Stattdessen erschüttert das Jahr 2020 den Sport in den Grundfesten.

Agentur
sda
24.12.20 - 14:16 Uhr
Sport

Das Coronavirus schlich sich an den Schweizer Sport heran. Zuerst gab es in China und Asien Absagen. Dann ein Serie-A-Spiel am 23. Februar in Italien. Die Schweiz wurde daraufhin vom Virus überrollt. Zuerst ordnete der Kanton Tessin Geisterspiele an. Dann durfte im Tessin nicht mehr trainiert werden. Basel verbot dem FCB ein Europa-League-Heimspiel. Und am 28. Februar untersagte der Bundesrat jegliche Grossveranstaltungen.

Shutdown! Niemand wusste, wie weiter. Die meisten Meisterschaften wurden abgebrochen. Nur der Profi-Fussball entschied sich, die Saison fast ohne Zuschauer zu beenden. Der Cupfinal, in dem die Young Boys erstmals seit 62 Jahren das Double holten, fand erst Ende August statt.

Als im März der berühmteste Virologe im deutschsprachigen Raum, der Deutsche Christian Drosten von der Berliner Charité sagte, es werde bis im nächsten Jahr um diese Zeit keine vollen Stadien geben, wurde er als Schwarzmaler bezeichnet. Aber seine Prognosen - auch zur zweiten Welle - trafen ein. Und das Millionen-Business Sport geriet in Schieflage.

Kein einziges Schwingfest! Keine Hockey-WM in Zürich und Lausanne (neue Bewerbung für 2026). Auch keine Rad-WM im Wallis (für 2024 war die WM schon vorher nach Zürich vergeben). Kaum noch Sport! Nur im Oktober einen Monat lang eine reduzierte Anzahl Fans in den Stadien. Erstmals seit 70 Jahren keine Sportler-Ehrung.

Die Swiss Indoors, der grösste alljährliche Schweizer Sport-Event, sagte im Sommer früh ab und erwirtschaftete trotzdem einen Verlust in Höhe von rund zwei Millionen Franken.

Dank Soforthilfe, Hilfskrediten, Unterstützungsgeldern und A-Fonds-perdu-Beiträgen wird der Sport das Corona-Jahr überleben. Aber über den Berg sind damit noch nicht alle. Wie geht es weiter? Bricht das Sponsoring ein? Kehren die Fans wie früher in die Stadien zurück? Erst in ein paar Jahren werden wir wissen, welche Sportunternehmungen die Pandemie wirklich überleben.

Sportfeste im Januar und Februar

Sport-Happenings, wie wir sie kannten, gab es nur im Januar und Februar. Die Youth Olympic Games, die Winterspiele für 15- bis 18-Jährige, mobilisierten während zwei Wochen im Raum Lausanne 640'000 Zuschauer. Im Januar bejubelten Heerscharen Schweizer Siege am Kuonisbergli (Adelboden/Daniel Yule gewann den Slalom) und am Lauberhorn (Wengen). In Wengen schauten 60'000 zu, wie Beat Feuz zum dritten Mal nach 2012 und 2018 am Lauberhorn triumphierte.

Auch im Mannschaftssport gab es Hühnerhaut-Stimmung. Im Eishockey-Cupfinal vor 9600 Zuschauern in Lausanne spielte der HC Ajoie aus der Swiss League das Spitzenteam Davos an die Wand (7:3-Sieg). 7000 jurassische Fans sorgten im Waadtland für ein Volksfest. Nach 2018 (Rapperswil-Jona Lakers) endete zum zweiten Mal in zwei Jahren der Cupfinal mit einem Sieg des Unterklassigen. Im Fussball gab es in fast 100 Jahren Cupfinals erst einen Sieger aus der NLB: Sion im Jahr 2006.

Das spektakulärste Fussballspiel sahen 19'024 Zuschauer am 23. Februar in St. Gallen. Im letzten Spiel vor dem Shutdown trennten sich St. Gallen und YB in einer hochdramatischen Partie 3:3.

Der Fussball sorgte für Corona-Ungerechtigkeiten: Der FC Thun und Xamax Neuchâtel stiegen aus der Super League ab, derweil Chiasso als Letzter der Challenge League bleiben durfte. Yverdon, der souveräne Leader der Promotion League, zog sogar vors CAS. Immerhin befindet sich der FC Yverdon Sport erneut auf Aufstiegskurs - und in der Saison 2020/21 soll es Aufsteiger geben, vorausgesetzt die Vorrunde in der Promotion League kann bis nächsten Sommer beendet werden. Dazu fehlen den Teams derzeit noch rund ein halbes Dutzend Spiele.

Marc Hirschi...

Auch im Corona-Jahr gab es herausragende sportliche Leistungen. Wer hätte die Sportler-Ehrungen gewonnen, wenn die Sports Awards vergeben worden wären? Eine grosse Zeitung (Blick) wollte es wissen und liess eine Sportler-Jury und ihre Leser wählen.

Bei den Männern setzte sich der 22-jährige Rad-Shootingstar Marc Hirschi vor Beat Feuz durch, dem besten Abfahrer der Welt. Der Berner Hirschi sorgte an der Tour de France fast täglich für Aufsehen, gewann eine Etappe und holte die Auszeichnung für den kämpferischsten Fahrer, holte Bronze an der Strassen-WM, gewann den Klassiker Flèche Wallonne und eroberte die Herzen der Fans.

...und Corinne Suter

Bei den Frauen wählte die Jury die Ski-Speed-Königin Corinne Suter (26), die wie Michela Figini 40 Jahre vor ihr die Weltcup-Kristallkugeln in Abfahrt und Super-G gewann. Dabei galt Suter jahrelang als Talent, das im entscheidenden Moment versagt.

Viele Frauen brillierten: Keine Europäerin lief die 100 m in diesem Jahr schneller als die 24-jährige Ajla Del Ponte. Camille Balanche (30) holte sensationell Gold in der Abfahrt mit dem Mountainbike. Schwimmerin Lisa Mamié (22) war die Nummer 1 Europas über 100 m Brust. Und Snowboarderin Julie Zogg (28) gewann zwei Weltcuprennen und die Kristallkugel im Parallelslalom.

Zum Team des Jahres wären wohl die Young Boys gewählt worden. Sicher nicht die Fussball-Nati, die kein Spiel gewann und nur dank Corona (der Luzerner Kantonsarzt schickte die Ukraine vor dem entscheidenden Spiel in Quarantäne = Forfaitsieg) den Platz in der obersten Nations League verteidigte. Die Young Boys holten das Double und überwintern nach einem dramatischen 2:1-Erfolg über Cluj in der Europa League. In der Qualifikation zur Champions League blamierten sich die Berner indes mit 0:3 bei Midtjylland in Dänemark.

Wegen des Coronavirus gab es 2020 kaum Titelkämpfe. Zwei der wenigen Goldmedaillen, die vergeben wurden, gingen in die Schweiz. Die 28-jährigen Joana Heidrich und Anouk Vergé-Dépré, einst Junioren-Weltmeisterinnen, holten in Lettland EM-Gold im Beachvolleyball.

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