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Bohli fährt im Fokus der Radsportwelt

Tom Bohli geht am Samstag in seine erste dreiwöchige Landesrundfahrt. Zum Auftakt des Giro d’Italia sind die Augen in Bologna auch auf ihn gerichtet: Seine Domäne steht auf dem Programm – mit Einschränkung aber.

Bernhard
Camenisch
10.05.19 - 23:10 Uhr
Sport
Bis zum Ziel am 2. Juni in Verona liegen 3578 Kilometer, verteilt auf 21 Etappen, vor Tom Bohli.
Bis zum Ziel am 2. Juni in Verona liegen 3578 Kilometer, verteilt auf 21 Etappen, vor Tom Bohli.
KEYSTONE

So schnell bringt Tom Bohli nichts aus der Ruhe. Auch am Tag vor dem Start des 102. Giro d’Italia ist der Radprofi aus Rieden locker drauf, gibt vor dem Training am Morgen gesprächig Auskunft, lacht und macht Sprüche. Dabei wird es für den 25-Jährigen die Premiere an einer «Grand Tour». Nur der Giro, die Tour de France und die Vuelta a Espana dürfen sich als die drei grössten Landesrundfahrten mit diesem Prädikat schmücken.

21 Etappen warten am diesjährigen Giro d’Italia auf die Fahrer. Bis zum Ziel am 2. Juni in Verona sind 3578 Kilometer, gespickt mit über 40 000 Höhen- metern, zu bewältigen. «Viele sprechen vom schwersten Giro, den es je gab», sagt Bohli. Klar flösst dies dem Debütanten einen gehörigen Respekt ein, besonders wenn er an die neun, teils brutal anspruchsvollen Bergetappen denkt: «Das wird für viele, mich eingeschlossen, ein Kampf um die Karenzzeit.» Denn für den Fahrer des UAE Team Emirates ist klar: «Ich probiere fertig zu fahren und das Ziel in Verona zu erreichen.»

Für den Sprinter im Team fahren

Im Feld der 176 Fahrer, die am Samstag ins Rennen gehen, ist Bohli, der die Startnummer 212 trägt, einer von nur drei Schweizern. Er hat sich in den letzten Tagen mit vielen Berufskollegen unterhalten. Ein Tipp, den er immer wieder bekommen hat: «An einem schlechteren Tag nicht unnötig mit irgendwelchen Aktionen zusätzlich Kräfte verschleissen.» Ebenso nimmt er sich vor, nur von Etappe zu Etappe zu schauen. Damit, wie die einzelnen Teilstücke im Detail aussehen, hat er sich im Vorfeld nicht beschäftigt.

«Viele sprechen vom schwersten Giro, den es je gab. Das wird für viele Fahrer, mich eingeschlossen, ein Kampf um die Karenzzeit.»

Das UAE Team Emirates tritt ohne Anwärter aufs Gesamtklassement an. Im achtköpfigen Aufgebot ist aber Supersprinter Fernando Gaviria. Der Kolumbianer soll auf flachen Etappen für Siege sorgen. Und seine Teamkollegen sollen ihn in eine optimale Ausgangslage dafür bringen. «Wir werden uns für ihn ins Zeug legen und sicher eines jener Teams sein, dass den Fluchtgruppen nachjagt», erklärt Bohli. Mit seinen exzellenten Rollerfähigkeiten ist er dafür prädestiniert. Er dürfte deshalb immer wieder an der Spitze des Hauptfeldes anzutreffen sein.

Happiger Anstieg im Zeitfahren

Am Samstag aber darf Bohli noch für sich fahren. In Bologna wird der erste Träger der Maglia Rosa in einem Einzelzeitfahren über 8 Kilometer ermittelt. Der Riedner, der in Feusisberg wohnt, ist ein Spezialist für kurze Prüfungen gegen die Uhr. Dies stellte er zuletzt vor elf Tagen wieder unter Beweis, als er den Sieg am Prolog der Tour de Romandie in Neuenburg nur um 71 Hundertstel verpasste.

«Wir werden uns für Fernando Gaviria ins Zeug legen und sicher eines jener Teams sein, dass den Fluchtgruppen nachjagt.»

In Bologna präsentiert sich die Aufgabe aber ganz anders: Nach den ersten 5,9 Kilometern durch die Stadt folgt ein happiger Schlussanstieg mit durchschnittlich fast 10 Prozent Steigung. Es werden sogar Punkte fürs Bergpreisklassement vergeben. Dieser Anstieg sei für ihn zu heftig, erklärt Bohli, der punkt 18.14 Uhr starten wird. Das heisst aber nicht, dass er bereits die Flinte ins Korn wirft: «Ich werde mich voll reinhängen. Wer weiss, vielleicht entdecke ich ja sogar eine neue Qualität an mir.»

Seit Anfang März war Bohli ein Vielstarter. Die einzige längere Pause war eine zweiwöchige unmittelbar vor der Tour de Romandie. Der 25-Jährige glaubt aber, dass er seinen Formhöhepunkt bis dato noch nicht erreicht hat. «Ich hoffe es zumindest, denn jetzt muss ich in Topform sein. Ich hoffe auch, dass ich im Verlauf des Giro noch zusetzen kann.»

Die sportliche Leitung hat ihrem einzigen Schweizer im Team in Aussicht gestellt, dass er mit einer guten Performance am Giro ab dem 15. Juni auch noch die Tour de Suisse bestreiten darf. Das ist aber Zukunftsmusik. Vorerst investiert Bohli seine ganze Energie in seine bisher härteste Tour. Dass er mit dem Start am Giro d’Italia eine neue Stufe erreicht hat, hat er seit seiner Ankunft in Bologna am Mittwoch bereits feststellen können. «Es ist irrsinnig, was hier abgeht. Das Drumherum ist riesig, das ist ganz speziell. Ich freue mich darauf, dies nun täglich mitzuerleben.»

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