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«Mit Respekt vor den verschiedenen Kulturen»

In der Kolumne «Insight» gewähren Spitzensportler aus dem Verbreitungsgebiet der «Linth-Zeitung» Einblick in ihr Leben. In dieser Ausgabe erklärt Rad-Profi Tom Bohli (25) aus Rieden, warum es in seinem neuen Team nach einem Sieg keinen Champagner, sondern alkoholfreies Bier gibt.

Linth-Zeitung
19.03.19 - 17:56 Uhr
Sport
Sightseeing: Tom Bohli besucht mit seinem Team eine Moschee in Abu Dhabi.
Sightseeing: Tom Bohli besucht mit seinem Team eine Moschee in Abu Dhabi.

Meine beiden ersten Renneinsätze mit UAE Team Emirates, die Kolumbien- und Argentinien-Rundfahrt im Februar, waren im Rückblick ganz erfolgreiche Wettkampftage für unseren emiratisch/italienischen Rennstall. Obwohl der Radsport nicht jedes Jahr neu erfunden wird, konnte ich in diesen ersten paar Wochen in meinem neuen Team viele neue und auch ungewohnte Erfahrungen machen. Und da ich von vielen Leuten gefragt wurde, wie es so ist, für ein arabischstämmiges Team zu fahren, kam ich nicht umhin, mir selbst ein paar Gedanken dazu zu machen.

Vorweg gilt es aber zu sagen, dass UAE Team Emirates ein italienisches Team mit italienischer World-Tour-Lizenz ist. Doch wir vertreten dabei nicht nur grosse emiratische Konzerne, die uns als Hauptsponsoren unterstützen, sondern mit UAE (die Vereinigten Arabischen Emirate) auch ein ganzes Land. Deshalb ist es selbstverständlich, einen gesunden Respekt vor den verschiedenen Kulturen zu haben, die wir repräsentieren.

Eine für uns Europäer sehr auffällige Eigenheit ist der Alkoholverzicht in den Golfstaaten. Diese kulturelle Gepflogenheit äussert sich in unserem Team in der herrschenden «no alcohol policy». Für uns Fahrer bedeutet dies beispielsweise, dass es nach einem Sieg keinen Champagner, sondern alkoholfreies Bier gibt. Auch für Wein – obwohl er für die Italiener in unserem Team eine Frage des Lebensstils ist – hat es an Renneinsätzen keinen Platz. Ich persönlich habe keine Probleme damit, als Profisportler auf Alkohol zu verzichten, und Gleiches denken meine Teamkollegen.

Auf dem Bild bin ich in einer Moschee in Abu Dhabi zu sehen, die wir im letzten Herbst mit dem Team besuchten. Über die Unterschiede der Religionen in unserer Equipe gibt es eigentlich am wenigsten zu berichten. Jeder ist ermutigt, seinen eigenen Vorstellungen und Überzeugungen nachzugehen. So, wie man in den Emiraten heuer das Jahr der Toleranz begeht, so soll auch unser Radsport-Team ein Zeichen für Toleranz setzen.

Anfang Monat war das Opening-Weekend in Belgien – jenes Wochenende, an dem die typische «Kopfsteinklassiker-Saison» eingeläutet wird. In Belgien wird dies meist mit selbst gebrautem Bier gefeiert. Es ist womöglich das Land, in dem es am schwersten ist, um auf ein gutes Bier verzichten zu können.

Mit dem Omloop Het Nieuwsbald (200 Kilometer) und tags darauf bei Kuurne-Brüssel-Kuurne (210 Kilometer) wurden bei 10 Grad Celsius und Regen reichlich Kalorien verbrannt. Umso wichtiger ist deshalb, immer einen guten Küchenchef bei solchen Renneinsätzen dabei zu haben. Bei der Speisekarte haben sich in unserem Team die Italiener durchgesetzt, es stehen nämlich hauptsächlich italienische Gerichte auf dem Plan.

Zuletzt war ich eine knappe Woche in der Schweiz. Ab heute bin ich an der siebentägigen Tirreno–Adriatico im warmen Italien am Start. Los geht es mit dem Mannschaftszeitfahren.

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