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Klimaaktivisten in Lausanne erneut vor Gericht

Der Berufungsprozess gegen die zwölf im Januar freigesprochenen Klimaaktivisten ist am Dienstag in Renens (VD) eröffnet worden. Im Mittelpunkt steht erneut die Frage, ob es sich bei einer Aktion um einen «rechtfertigenden Notstand» gehandelt hat.

Agentur
sda
22.09.20 - 15:22 Uhr
Blaulicht
Dutzende Klimaaktivisten und Vertreter der Bewegung "Grosseltern für das Klima" bekunden vor dem Gerichtsgebäude in Renens ihre Unterstützung für die Angeklagten.
Dutzende Klimaaktivisten und Vertreter der Bewegung "Grosseltern für das Klima" bekunden vor dem Gerichtsgebäude in Renens ihre Unterstützung für die Angeklagten.
Keystone/LAURENT GILLIERON

Der Prozess findet teilweise hinter geschlossenen Türen statt, wegen der Corona-Pandemie ohne Publikum. Nur die Medien sind zugelassen. Allerdings standen rund 70 Unterstützer der Klimaaktivisten vor dem Gericht Spalier und applaudierten den Angeklagten und ihren Anwälten bei ihrer Ankunft.

Die zwölf Jugendlichen, mehrheitlich Studenten, stehen vor Gericht, weil sie im November 2018 illegal Räumlichkeiten der Credit Suisse in Lausanne besetzt haben sollen. Als Tennisspieler verkleidet hatten sie die Grossbank angeprangert, sich in ihren Kampagnen des positiven Ansehens von Roger Federer zu bedienen und gleichzeitig eine umweltschädliche Investitionspolitik verfolgen.

Medienwirksam musste es sein

«Unser Ziel war es, die Öffentlichkeit auf die destruktiven Investitionen der Credit Suisse aufmerksam zu machen», sagte eine der Angeklagten vor Gericht. Sie hätten sich geweigert, das Gelände zu verlassen und der Polizei zu gehorchen, um ihrer Operation mehr Medienwirksamkeit zu verleihen.

Eine weitere Angeklagte sagte, sie habe alle rechtlichen Mittel ausgeschöpft, bevor sie sich für zivilen Ungehorsam entschieden habe. Alle Angeklagten seien sich einig, dass dieser politische Weg zu langsam und unwirksam sei, um den klimatischen Notstand zu bekämpfen.

Zum Prozess kam es, weil die Klimaaktivisten die Strafbefehle anfochten, die ihnen die Justiz aufgebrummt hatte. Überraschend gab es in erster Instanz vor dem Bezirksgericht Lausanne einen Freispruch. Der Gerichtspräsident und Einzelrichter Philippe Colelough war der Auffassung, dass die Aktivisten aus Gründen eines «rechtfertigenden Notstandes» gehandelt hätten. Er befand, dass ihr Vorgehen angesichts der Klimakatastrophe «notwendig und angemessen» gewesen sei.

Riesiges Echo

Das am 13. Januar gefällte Urteil fand ein überwältigendes Echo: Es war das erste in der Schweiz und eines der wenigen in der Welt, das einen Notstand in Bezug auf die Klimaerwärmung anerkannte.

Die Waadtländer Staatsanwaltschaft legte jedoch Rekurs ein, da sie der Ansicht war, dass der Notstand in diesem Fall nicht gegeben sei. Die Staatsanwaltschaft, die bei der Verhandlung im Januar nicht anwesend war, ist diesmal am Verfahren beteiligt. Sie wird von Generalstaatsanwalt Eric Cottier vertreten, der den Fall übernommen hat.

Verteidiger ohne Honorar

Im Gegenzug werden die zwölf Klimaaktivisten weiterhin von einer Armada von einem Dutzend Anwälten verteidigt, die unentgeltlich für die Angeklagten arbeiten. Für diesen Berufungsprozess hatten sie die Vernehmung von zwei Zeugen beantragt, darunter ein Klimatologe und ein Spezialist für nachhaltige Finanzen, aber das Gericht lehnte ihren Antrag ab.

Das Urteil wird am Donnerstag erwartet. Doch damit wird der Fall sicher nicht abgeschlossen sein. Beide Seiten haben bereits angedeutet, dass sie die Angelegenheit je nach Urteil des Berufungsgerichts an das Bundesgericht weiterleiten werden.

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