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USA beenden Truppenabzug aus Afghanistan

Mit dem Abzug ihrer letzten Soldaten vom Flughafen Kabul haben die USA den Militäreinsatz in Afghanistan nach fast 20 Jahren beendet.

Agentur
sda
30.08.21 - 23:39 Uhr
Politik
dpatopbilder - HANDOUT - Ein Transporthubschrauber des US-Militärs wird auf dem Kabuler Flughafen in ein Militärtransportflugzeug verladen. Foto: Uncredited/Department of Defense/AP/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung und nur mit…
dpatopbilder - HANDOUT - Ein Transporthubschrauber des US-Militärs wird auf dem Kabuler Flughafen in ein Militärtransportflugzeug verladen. Foto: Uncredited/Department of Defense/AP/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung und nur mit…
Keystone/Department of Defense/AP/Uncredited

«Ich bin hier, um die Vollendung unseres Abzugs aus Afghanistan zu verkünden», sagte US-General Kenneth McKenzie, der das US-Zentralkommando Centcom führt, am Montag in einer Videoschalte mit Journalisten im Pentagon. Damit ende auch die militärische Mission zur Evakuierung von Amerikanern, Verbündeten und schutzsuchenden Afghanen. Das letzte US-Militärflugzeug habe eine Minute vor Mitternacht Ortszeit vom Kabuler Flughafen abgehoben. US-Präsident Joe Biden hatte diesen Dienstag als Stichtag für den US-Truppenabzug gesetzt.

Die militant-islamistischen Taliban, die in Afghanistan die Macht übernommen hatten, feierten den Abzug. Der Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid schrieb auf Twitter, das Land habe jetzt die völlige Unabhängigkeit erreicht. Das hochrangige Taliban-Mitglied Anas Hakkani twitterte: «Wir schreiben wieder Geschichte. Die 20-jährige Besetzung Afghanistans durch die USA und die Nato endete heute Abend. Gott ist gross.»

Nach Angaben des Weissen Hauses vom Montag brachten die USA und ihre Verbündeten bei der Evakuierungsmission seit dem 14. August rund 116.700 Menschen in Sicherheit. Die Bundeswehr hatte ihren Rettungseinsatz am Donnerstag beendet, Frankreich, Spanien und Grossbritannien folgten am Freitag und Samstag. Immer noch befinden sich aber Zehntausende Menschen in Afghanistan, die vor den Taliban fliehen wollen - bei den meisten davon handelt es sich im Afghanen.

Die USA und die westlichen Partner haben wiederholt betont, dass es auch nach dem Ende des Einsatzes die Möglichkeit geben soll, Menschen in Sicherheit zu bringen. Der UN-Sicherheitsrat erhöhte am Montag den Druck auf die militant-islamistischen Taliban in Afghanistan, die Menschenrechte zu wahren und Ausreisewillige ungehindert passieren zu lassen. In seltener Einigkeit verabschiedete das mächtigste UN-Gremium am Montag eine entsprechende Resolution. Die Entscheidung fiel mit 13 Ja-Stimmen, Russland und China enthielten sich. UN-Resolutionen sind völkerrechtlich bindend.

In der Resolution, die von Grossbritannien und Frankreich zusammen mit den USA und Irland vorgelegt wurde, verweist der UN-Sicherheitsrat auf die Zusagen der Taliban, dass Afghanen das Land jederzeit und auf allen möglichen Wegen ungehindert verlassen dürften. Man erwarte, «dass die Taliban diese und alle anderen Verpflichtungen einhalten», heisst es darin. Zugleich unterstreicht das Gremium die Forderung nach einem ungehinderten humanitären Zugang sowie nach Wahrung der Menschenrechte in Afghanistan, insbesondere «der Rechte von Frauen, Kindern und Minderheiten».

US-Präsident Joe Biden hatte im April angekündigt, alle US-Soldaten spätestens bis zum 11. September bedingungslos aus Afghanistan abzuziehen. An dem Datum ist der 20. Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001, die den US-geführten Militäreinsatz in Afghanistan auslösten. Auch die Nato kündigte daraufhin an, den von ihr geführten internationalen Einsatz zu beenden. Im Juli zog Biden das Datum für das vollständigen Abzug auf den 31. August vor.

Nach Bidens Ankündigung legte der Siegeszug der Taliban noch an Geschwindigkeit zu, die militanten Islamisten übernahmen eine Provinzhauptstadt nach der anderen - oftmals leisteten die afghanischen Sicherheitskräfte wenig oder keinen Widerstand. Am 15. August floh der afghanische Präsident Aschraf Ghani ins Ausland, die Taliban marschierten kampflos in der afghanischen Hauptstadt Kabul ein und besetzten den Präsidentenpalast. Die US-Botschaft wurde geschlossen, die Diplomaten flohen an den Flughafen.

Der Flughafen in Kabul blieb auch nach der Machtübernahme der Taliban unter Kontrolle der US-Truppen. Die USA flogen 5000 zusätzliche Soldaten ein, um die Evakuierungen abzusichern. US-Kommandeure koordinierten sich dabei mit den Taliban. Bei einem Anschlag der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) am vergangenen Donnerstag wurden vor dem Flughafen Dutzende Afghanen und 13 US-Soldaten getötet. Der IS und die Taliban sind miteinander verfeindet.

Noch am Montag griff der IS erneut den Flughafen Kabul an. Nach Angaben der US-Regierung wurden fünf Raketen in Richtung des Airports abgefeuert. Drei seien ausserhalb des Geländes gelandet, eine von einem Raketenabwehrsystem am Flughafen abgewehrt worden, sagte Generalmajor William Taylor. Eine weitere Rakete schlug demnach innerhalb des Flughafengeländes ein, ohne Menschen oder Evakuierungsmission zu gefährden.

Der in Afghanistan aktive Ableger des IS reklamierte den Raketenangriff für sich. «Soldaten des Kalifats» hätten den Flughafen mit sechs Raketen des Typs Katjuscha angegriffen, teilte IS-Khorasan, wie der IS sich in Afghanistan und Pakistan nennt, am Montag auf der Plattform «Naschir News» mit.

Bei einem US-Luftangriff in Kabul am Sonntag sollen mindestens zehn Zivilisten getötet worden sein. Unter den Toten seien auch Kinder, berichtete der lokale TV-Sender ToloNews unter Berufung auf Anwohner. Die US-Regierung schloss zivile Opfern am Montag nicht aus. «Wir sind nicht in der Lage, das jetzt zu bestreiten», sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby. Man werde das weiter untersuchen und die Ergebnisse offenlegen. Das US-Militär hatte am Sonntag mitgeteilt, der Einsatz habe erfolgreich eine «unmittelbare Bedrohung» für den Flughafen Kabul durch die Terroristen abgewendet.

Nach Angaben der Taliban befindet sich der jahrelang nicht gesehene Taliban-Führer Haibatullah Achundsada in Afghanistan. Sein Aufenthaltsort war über Jahre unbekannt. Achundsada führe derzeit Gespräche in Kandahar, sagte Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid am Sonntagabend in einem Interview der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu der Türkei. Die Islamisten führen aktuell Gespräche über die künftige Regierung des Landes.

In der Stadt Masar-i-Scharif im Norden des Landes ist die nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erste Hilfslieferung mit medizinischen Gütern seit der Machtübernahme der Taliban eingetroffen. Ein von der pakistanischen Regierung zur Verfügung gestelltes Flugzeug mit 12,5 Tonnen an Medikamenten und medizinischen Hilfsgütern der WHO sei die erste von insgesamt drei geplanten Hilfslieferungen.

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