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Vor dem letzten Brexit-Kraftakt: Kann Johnson das Ruder herumreissen?

Im Gezerre um einen Brexit-Handelspakt bemühen sich Grossbritannien und die EU trotz massiven Zeitdrucks um vorsichtigen Optimismus. «Ich bin immer hoffnungsvoll», sagte der britische Premierminister Boris Johnson am Dienstag in London.

Agentur
sda
08.12.20 - 16:13 Uhr
Politik
Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, verlässt die 10 Downing Street. Foto: Matt Dunham/AP/dpa
Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, verlässt die 10 Downing Street. Foto: Matt Dunham/AP/dpa
Keystone/AP/Matt Dunham

«Ich bin sehr hoffnungsvoll, aber ich muss ehrlich mit Ihnen sein: Ich denke, die Situation ist im Moment sehr knifflig.» Auch die Europäische Union bekräftigte ihr Interesse an einer Einigung mit dem ehemaligen Mitgliedsland. Viel Zeit dafür bleibt bis zum 31. Dezember nicht.

In einem Telefonat hatten sich Johnson und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montagabend darauf geeinigt, bei einem Treffen in Brüssel auf höchster Ebene einen letzten Kraftakt für einen Handelspakt zu unternehmen. Wann genau Johnson in die EU-Hauptstadt reist, blieb zunächst unklar. «Wir sind gewillt, alles zu versuchen», sagte der Premierminister. Auch die EU nannte noch keinen Termin.

Deutschland hat in der Union derzeit die Ratspräsidentschaft. «Wir wollen einen Deal, aber nicht um jeden Preis», sagte Europa-Staatsminister Michael Roth. «Was wir brauchen, ist der politische Wille in London.»

Trotz intensiver Verhandlungen der Brexit-Unterhändler über Monate hinweg und zwei längeren Telefonaten zwischen von der Leyen und Johnson blieb der Durchbruch bislang aus. Die drei verbliebenen Felder, auf denen von der Leyen und Johnson noch «bedeutende Differenzen» festgestellt hatten - Fischerei, fairer Wettbewerb und die Frage nach der Durchsetzbarkeit der Vereinbarungen - sind schon seit Monaten dieselben.

Zum 31. Dezember endet die Brexit-Übergangsphase, in der trotz des Austritts aus der EU für Grossbritannien bislang alles beim Alten blieb. Sollten sich beide Seiten bis dahin nicht auf einen Deal geeinigt haben, droht auf beiden Seiten Chaos: Kilometerlange Staus an den Grenzen und leere Supermarktregale in Grossbritannien sind nur einige der befürchteten Folgen. Zölle würden den Handel zwischen dem Kontinent und dem Inselstaat belasten.

Diese Woche gibt es nach etlichen gerissenen Deadlines nun für Johnson den perfekten Rahmen für den langersehnten Durchbruch: Am Donnerstag und Freitag treffen sich die EU-Staats- und Regierungschefs zu ihrem letzten Gipfel in diesem Jahr. Johnson gilt als Charismatiker, der im persönlichen Gespräch erreichen könnte, woran Bürokraten scheitern. Doch es wird mehr als eine freundliche Atmosphäre brauchen, um einen Handelspakt zu besiegeln. Auf beiden Seiten dürften noch schmerzhafte Zugeständnisse nötig sein.

Immerhin: Die britische Regierung willigte ein, umstrittene Passagen in einem Gesetzentwurf zu streichen oder zu ändern, die in Brüssel für viel Unmut gesorgt hatten. Das Binnenmarktgesetz sollte nach dem Willen Londons die Bestimmungen des ausgehandelten EU-Austrittsabkommens aushebeln und damit internationales Recht brechen - eine Drohgebärde, die für viel Empörung sorgte.

Die EU-Kommission bot an, notfalls auch nach dem 31. Dezember - also nach Ende der Brexit-Übergangsphase und einem möglichen No-Deal-Brexit - weiter zu verhandeln. Aus der Downing Street hiess es jedoch, die Gespräche müssten bis zum Jahresende abgeschlossen sein.

Der frühere britische Premierminister Gordon Brown wies auf die verheerenden wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie hin, die auf Grossbritannien zukämen. «Wir wollen wirklich keine zwei Felsklippen. Man kann nicht zwei Felsklippen auf einmal überwinden», sagte der Labour-Politiker. «Wäre ich Boris Johnson, würde ich sehr hart daran arbeiten, einen Deal zu bekommen.»

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