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Die Corona-Massnahmen betreffen alle Lebensbereiche

Von der Schule bis zur Bürgerversammlung, vom Coiffeursalon zum Hotel: Der Kampf gegen das Coronavirus wirbelt alles durcheinander. Gesundheitsdirektorin Heidi Hanselmann ruft die Bürger zur Mithilfe auf.

16.03.20 - 09:55 Uhr
Politik
Ohne Schüler: So gähnend leer wir hier beim Hanfländer-Schulhaus in Rapperswil-Jona werden in der ganzen Schweiz ab heute die Pausenplätze sein. Bild Archiv
Ohne Schüler: So gähnend leer wir hier beim Hanfländer-Schulhaus in Rapperswil-Jona werden in der ganzen Schweiz ab heute die Pausenplätze sein. Bild Archiv

Seit dem Wochenende ist in der Region und dem Rest der Schweiz kaum etwas, wir vorher. «Wir befinden uns in einer besonderen Lage», sagte die St. Galler Gesundheitschefin Heidi Hanselmann am Samstagnachmittag vor den Medien. Einschneidende Massnahmen seien nötig, um zu verhindern, dass zu viele Menschen gleichzeitig am Coronavirus erkranken und Spitäler bei der Behandlung von Schwerkranken an ihre Grenzen kommen.

Andere Kantone gehen weiter

Nachdem der Bund am Freitagnachmittag beschlossen hat, dass ab sofort bis zum 4. April kein Präsenzunterricht an Schulen und Universitäten stattfinden darf, haben fast alle Kantone die die Volksschulen verpflichtet, für Kinder eine Notbetreuung zu organisieren. Auch im Kanton St. Gallen müssen die Schulen einspringen, wenn die Eltern keine Lösung für die Betreuung finden.

Wie die Schulen sicherstellen sollen, dass nicht zu viele Kinder in die Schule kommen, blieb an der Medienkonferenz offen. Aufsichtspersonen könnten dann kaum durchzusetzen, dass Schüler den vom Bund vorgeschriebenen Abstand halten. Das würde zur Ausbreitung des Virus beitragen.

In anderen Kantonen wie Freiburg und Basel-Stadt steht die Notbetreuung nur Eltern zur Verfügung, die in Gesundheitsberufen arbeiten, oder andere für die Gesellschaft zentralen Funktionen innehaben. Auch bei den Kindertagesstätten geht St. Gallen weniger weit, als einige andere Kantone, welche Kitas schliessen oder nur Angebote für Eltern mit bestimmten Berufen erlauben.

Grosseltern schützen

Laut dem Bildungschef Stefan Kölliker soll das Angebot für jüngere Kinder verhindern, dass Grosseltern die Kinder hüten. Menschen über 65, sind besonders gefährdet, genau wie solche mit chronischen Erkrankungen oder Atemwegsbeschwerden.

Auf den Einsatz von Kita-Personal oder Lehrern, die zu den Risikogruppen gehören, will die Regierung deshalb verzichten. Neben der Betreuung sieht Kölliker eine weitere Herausforderung für Schulen: «Es wird nicht einfach, die Schüler der Sekundarstufe 2 richtig auf die Aufnahme- und Abschlussprüfungen vorzubereiten.» Die Prüfungen finden regulär statt, wobei die Schulen sich an Hygienevorschriften halten müssen. Der Unterricht soll mit elektronischen Hilfsmitteln weitergeführt werden.

Die Massnahmen, mit welchen die Schweiz die Ausbreitung des Coronavirus eindämmen will, treffen nicht nur Schulen und Familien. Ab heute sind Besuche bei Spitalpatienten und Heimbewohnern nur noch unter bestimmten Bedingungen erlaubt, etwa bei der Geburt eines Kindes oder wenn Eltern ihre Kinder besuchen. So sollen Risikogruppen geschützt werden.

Die St. Galler Regierung empfiehlt den Gemeinden, die anstehenden Bürgerversammlungen per Urnenabstimmung durchzuführen. Anlässe, die für demokratische Entscheide nicht nötig sind, sind in der ganzen Schweiz verboten. In Restaurants, Bars und Diskotheken dürfen sich nicht mehr als 50 Personen befinden.

Verständnis für Unmut

Sie könne verstehen, wenn die Massnahmen Erstaunen, Ärger oder Unverständnis hervorrufen, sagte die Gesundheitsdirektorin Heidi Hanselmann an der Medienkonferenz. Trotzdem sei es wichtig, dass alle gemeinsam die Entscheide tragen und umsetzen. «Wir sind auf Sie angewiesen.»

Laut der St. Galler Kantonsärztin Danuta Reinholz steht die Welle von Erkrankungen dem Kanton noch bevor und erreicht vermutlich ihren Höhepunkt erst Ende April.

In den Spitälern herrscht laut Hanselmann bislang Normalbetrieb. Man sei aber darauf vorbereitet, dass sich das rasch ändern könne. Wenn die Massnahmen nicht richtig umgesetzt würden, und die Zahl der Erkrankungen in kurzer Zeit zu stark ansteige, könnte es für die Spitäler schwierig werden, Schwerkranke richtig zu versorgen, wie der Kanton, der Bundesrat und Virologen warnen.

Die St. Galler Wirtschaft leidet

Laut Volkswirtschaftsdirektor Bruno Damann leiden alle Branchen unter dem Virus, von der Hotellerie bis zum Coiffeursalon. «In den vergangenen Tagen haben 15 Betriebe pro Tag Kurzarbeit angemeldet. Tendenz klar steigend.» Die Gesuche sollen laut Damann möglichst rasch und unkompliziert beantwortet werden.

Finanzdirektor Benedikt Würth ruft die Banken dazu auf, zu ihren Kunden zu stehen und ihnen zu helfen, Liquiditätsengpässe zu überbrücken. «Die mutmasslich temporäre Krise darf sich nicht zu einer Strukturkrise entwickeln.» Die Regierung prüfe eine Stärkung der Bürgschaftsgenossenschaft Ost-Süd, damit diese mehr Handlungsspielraum zur Stärkung der KMU erhalte. Auch weitere Unterstützungsmassnahmen für Unternehmen seien vorgesehen.

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