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Die Magistratin

Bundesrätin Karin Keller-Sutter spricht beim «Zmorga» über Selfies, freie Zeit und ihren «Göttibub» Zeus.

Südostschweiz
25.01.20 - 04:30 Uhr
Politik
Ein später «Zmorga» während des WEF in Davos: Bundesrätin Karin Keller-Sutter gönnt sich ein «Buurezmorga» und nimmt eine Gemüsesuppe. Bild: Olivia Aebli-Item
Ein später «Zmorga» während des WEF in Davos: Bundesrätin Karin Keller-Sutter gönnt sich ein «Buurezmorga» und nimmt eine Gemüsesuppe. Bild: Olivia Aebli-Item

Regelmässige Leser der Rubrik «Zmorga» werden jetzt vielleicht ein Déjà-vu haben und sich fragen, ob uns ein Fehler unterlaufen ist. Denn Karin Keller-Sutter war bereits vor zwei Jahren Gast beim «Zmorga» (Ausgabe vom 27. Januar 2018). Als Präsidentin des Ständerats war die St. Gallerin im Januar 2018 am World Economic Forum (WEF) in Davos. Am Rande einer Veranstaltung nahm sie sich Zeit für ein Gespräch. Damals wurde der Name der FDP-Politikerin immer wieder genannt, wenn es um die Nachfolge von Johann Schneider-Ammann im Bundesrat ging. Als auch wir Keller-Sutter nach ihren Bundesratsambitionen gefragt hatten, lachte sie und antwortete: «Was für eine originelle Frage!» Nach dem Interview vereinbarten wir aber, dass, sollte sie tatsächlich einst zur Bundesrätin gewählt werden, wir den «Zmorga» wiederholen würden.

Und Karin Keller-Sutter, seit 1. Januar 2019 Bundesrätin und Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD), hielt Wort. «Das ist doch selbstverständlich», sagt sie, als wir die 56-Jährige wieder am WEF im Hotel «Schweizerhof» in Davos treffen. Sie kommt gerade vom Kongresszentrum, wo sie sich die Rede von US-Präsident Donald Trump angehört hat. Es sei – wenig überraschend – eine Wahlkampfrede gewesen, so die Magistratin.

Frau Bundesrätin Keller-Sutter, vor zwei Jahren sagten Sie, Ständerätin sei das schönste Amt, das man haben könnte. Haben Sie Ihre Meinung inzwischen revidiert?

Nein, ich würde diese Aussage wieder machen. Ständerat ist wirklich ein sehr schönes Amt. Man ist zu zweit pro Kanton unterwegs und arbeitet in einem kleinen Rat über die Parteigrenzen hinweg zusammen. Das ist toll. Das heisst aber nicht, dass ich zurückkehren möchte, ich bin sehr gerne Bundesrätin und Vorsteherin des EJPD.

Von 2011 bis 2018 setzte sich Keller-Sutter für die Anliegen des Kantons St. Gallen als Ständerätin in Bern ein, bevor sie am 5. Dezember 2018 zur Bundesrätin gewählt wurde. Ihren Wohnort verschob sich vom st. gallischen Wil in die Hauptstadt.

Wie haben Sie sich in Bern eingelebt?

Das war eine grosse Umstellung und ein Einschnitt. Denn vorher war ich nur während der Sessionen in Bern und fuhr danach wieder nach Hause. Jetzt aber lebe ich hier und bin praktisch nur noch am Wochenende in Wil, wo ich meinen Mann sehe. Wir haben uns jetzt aber so arrangiert, dass mein Mann einmal pro Woche nach Bern kommt. Sonst lebt man dann plötzlich alleine und entwickelt komische «Mödeli» (lacht).

Genauer geht sie auf diese «Mödeli» nicht ein, sie fragt nur: «Sie wissen, was ich meine?» Keller-Sutters Ehemann Morten Keller ist Direktor der Gesundheitsdienste der Stadt Zürich. Seit über 30 Jahren sind die beiden ein Paar.

Es ist aber nicht nur die Wohnsituation, die sich verändert hat. Auch Ihre Bekanntheit hat stark zugenommen.

Das stimmt, man ist schon stärker exponiert. Ich versuche aber, so normal wie möglich zu leben und auch in Bern selber einmal etwas einzukaufen. Obschon das meine Weibelin machen würde. Ich möchte mir diese Normalität aber erhalten. Besonders wenn ich am Wochenende zu Hause bin, begleite ich, wenn möglich, meinen Mann zum Einkaufen. In Wil kennen mich die Menschen ja, sie fragen vielleicht, wie es geht und man fotografiert mich auch nicht.

Gibt es denn oft Wünsche für ein Selfie mit der Bundesrätin?

Wenn ich im Zug, auf dem Bahnhof oder in Bern unterwegs bin, kommt es schon vor, dass mich jemand aufhält und nach einem Selfie fragt. Und als ich kürzlich bei Freunden an einer Geburtstagsparty war, und dort weitere Gäste waren, die ich nicht kannte, sind natürlich Fotowünsche aufgekommen. In solchen Situationen merkt man, dass man eine öffentliche Person ist und kaum mehr privat unterwegs sein kann. Das hat sich schon verändert.

Bleibt Ihnen noch Zeit für sich selbst?

Kaum! Es sind ja immer viele Menschen um mich herum. Wenn es die Zeit zulässt, klinke ich mich aber über Mittag für eine halbe Stunde aus und gehe in meine Wohnung. Das ist für mich Luxus.

Sie sei persönlich zufrieden mit ihrem ersten Jahr als Bundesrätin. «Es war sehr intensiv», sagt Keller-Sutter. Kaum im Amt, stand bereits die Abstimmung über die Umsetzung einer Änderung der EU-Waffenrichtlinie im Mai 2019 bevor. Und obwohl es Usus ist, dass neu gewählte Bundesräte erst nach 100 Tagen vor die Medien treten, musste Keller-Sutter schon im Februar zur Abstimmungsvorlage Red und Antwort stehen.

Gab es Situationen, in denen Sie das Amt unterschätzt haben?

Nein, es war zwar ein Kaltstart, aber nicht so kalt wie der gefrorene Davosersee! Ich schätzte die Aufgabe relativ realistisch ein, auch weil ich die Exekutivarbeit von meiner Tätigkeit als Regierungsrätin bereits kannte. Ich war daher nicht überrascht, was auf mich zukam, und wusste, dass Bundesrätin kein Teilzeitjob ist.

Den Austausch mit Kollegen des Bundesrats und ihren Mitarbeitern schätzt Keller-Sutter sehr. «Ich treffe mich regelmässig zum Kaffee mit meinen Kollegen. Diese persönliche Seite ist sehr wichtig», sagt sie. Und: «Mein Mitarbeiterstab ist nicht parteipolitisch besetzt. Wir führen oft intensive Diskussionen, was aber im Sinn der Sache ist», und fügt hinzu: «Wir haben es auch sehr lustig und lachen viel.»

Vor zwei Jahren waren Sie als Ständeratspräsidentin am WEF, nun als Bundesrätin. Wo liegt der Unterschied?

Als Präsidentin des Ständerats kam ich auf Einladung des Bundesrats nach Davos und es war mehr ein Erlebnis, dabei zu sein, Präsenzzeit. Jetzt ist es Arbeitszeit, Speeddating sozusagen. Man kann ohne Zeitverlust und ohne Reiserei viele Menschen treffen, was sehr wertvoll ist. Die Treffen mit anderen Ministern sind aber nicht dem Zufall überlassen, sie werden im Vorfeld organisiert und die Ziele der Gespräche definiert.

Zusammen mit Ihrer Kollegin, Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga, und Bundesrat Ignazio Cassis trafen Sie auf die EU-Ratspräsidentin Ursula von der Leyen. Wie war die Stimmung aus Ihrer Sicht?

Sie war positiv. Es handelte sich um ein erstes Kennenlernen. Ich finde es gut, dass dieses Treffen gleich zu Jahresbeginn zustande kam und beide Seiten ihre Positionen erklären konnten.

Gemeint ist das Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union. Dieses soll den institutionellen Rahmen für die künftigen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU schaffen und die Weiterentwicklung der bisherigen bilateralen Verträge ermöglichen.

Sie schätzen den persönlichen Kontakt?

Ja, wenn man sich persönlich treffen und so gewisse Dinge direkt besprechen kann, ist das sehr wertvoll. Wenn man sich persönlich kennt, hilft es bereits – und da muss man sich nichts vormachen –, wenn die Chemie zwischen zwei Personen stimmt. Das kann eine Situation deblockieren.

Am Mittwoch kehrte Keller-Sutter zurück nach Bern, weil sie am Donnerstag weiter in die kroatische Hauptstadt Zagreb ans Treffen der Innenminister der EU reiste. Gestern Abend war sie bereits wieder zurück und stand in der TV-Sendung «Arena» des Schweizer Fernsehens vor der Kamera, wo sie über die Abstimmungsvorlage vom 9. Februar, die das Parlament und der Bundesrat zur Annahme empfehlen, diskutierte. Es geht dabei um das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung. «Es geht letztlich um die Würde von Menschen, darum, dass Hass keine Meinung ist», sagt Keller-Sutter. «Man darf geschmacklose Sprüche machen. Aufruf zu Hass und Hetze aber soll strafbar sein.» Der Stammtisch sei von der Vorlage nicht bedroht.

Sie haben in jedem Quartal eine Abstimmung, viele Geschäfte im Rat. Bleibt da noch Zeit für Zeus?

(Strahlt). Mein Göttibub! Ich habe mir fest vorgenommen, ihn in diesem Jahr wieder in der Fondation Barry in Martigny zu besuchen. Das ist eine super Einrichtung und Zeus ist sehr süss. Seine Betreuer boten mir auch an, mit ihm ins Büro zu kommen. Platz genug hätte ich!

Dann holt Keller-Sutter ihr Handy hervor und zeigt Bilder vom neun Monate alten Bernhardiner Zeus, dessen Gotte sie seit letzten Oktober ist. «Mit sechs Monaten wog er 46 Kilo», erzählt die Hundeliebhaberin, die selber jahrelang einen Hund hatte.

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