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Schottisches Gericht erklärt Parlaments-Zwangspause für «illegal»

Ein schottisches Gericht erklärt die Zwangspause für «null und nichtig». Die Regierung will das Urteil umgehend anfechten. Unklarheit herrschte zunächst darüber, ob die Abgeordneten ihre Sitzungen direkt wieder aufnehmen können.

Agentur
sda
11.09.19 - 13:23 Uhr
Politik
Die von Premierminister Boris Johnson angeordnete Zwangspause für das britische Parlament verstösst nach Ansicht eines schottischen Berufungsgerichts gegen das Gesetz. Das Bild zeigt das Parlamentsgebäude in London.
Die von Premierminister Boris Johnson angeordnete Zwangspause für das britische Parlament verstösst nach Ansicht eines schottischen Berufungsgerichts gegen das Gesetz. Das Bild zeigt das Parlamentsgebäude in London.
KEYSTONE/AP/KIRSTY WIGGLESWORTH

Ein schottisches Berufungsgericht hat die von Premierminister Boris Johnson auferlegte fünfwöchige Zwangspause des britischen Parlaments für unrechtmässig erklärt. Das teilte der Court of Session am Mittwoch in Edinburgh mit.

Johnsons Ratschlag an Königin Elizabeth II., das Parlament vorübergehend zu schliessen, sei mit der Absicht erfolgt, die Parlamentarier im Brexit-Streit kaltzustellen, so die Richter. Die Zwangspause sei daher «null und nichtig». Unklar war zunächst, ob die Abgeordneten nun sofort ihre Sitzungen wieder aufnehmen können. Die Abgeordneten sollen eigentlich erst am 14. Oktober wieder zusammenkommen.

Regierung will Berufung einlegen

Die Regierung zeigte sich «enttäuscht» und kündigte Berufung vor dem obersten britischen Gericht, dem Supreme Court in London, an.

Die Schottische Nationalpartei (SNP) bezeichnete die Entscheidung dagegen als «grossartige Neuigkeit». SNP-Fraktionschef Ian Blackford schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter an Boris Johnson gerichtet: «Sie haben undemokratisch gehandelt und müssen das Parlament (aus der Zwangspause) zurückrufen.»

Der Brexit-Experte der oppositionellen Labour-Partei, Keir Starmer, sagte auf einem Kongress im südenglischen Brighton: «Ich muss zurück zu den anderen, um zu sehen, ob wir die Türen (des Parlaments) wieder öffnen und Boris Johnson zur Verantwortung ziehen können.» Luciana Berger von den proeuropäischen Liberaldemokraten schrieb auf Twitter von einer «bedeutenden Entscheidung».

Geklagt hatten etwa 75 Parlamentarier. Sie sehen in der von Johnson erwirkten wochenlangen Schliessung des Unterhauses vor dem am 31. Oktober anstehenden EU-Austritt des Landes eine unzulässige Einschränkung des Parlaments. Ähnliche Klagen wurden auch vor Gerichten im nordirischen Belfast und in London eingereicht.

Endgültige Entscheidung steht noch aus

Eine Klage in erster Instanz vor dem Court of Session in Schottland war zunächst gescheitert. Auch der High Court in London hatte eine ähnliche Klage zunächst abgewiesen. Eine endgültige Entscheidung dürfte nun das oberste Gericht in Grossbritannien, der Supreme Court, treffen. Eine mehrtägige Anhörung war Berichten zufolge vom 17. September an vorgesehen.

Die Parlamentsschliessung war in der Nacht zum Dienstag wirksam geworden, bei der Zeremonie war es zu tumultartigen Szenen im Unterhaus gekommen. Abgeordnete der Opposition hielten Protestnoten mit der Aufschrift «Zum Schweigen gebracht» hoch und skandierten «Schande über Euch» in Richtung der Regierungsfraktion.

Parlamentspräsident John Bercow sprach von einem «Akt exekutiver Ermächtigung». Labour-Chef Jeremy Corbyn warf Johnson vor, er schliesse das Parlament, um keine Rechenschaft mehr ablegen zu müssen.

Weitere Niederlage für Johnson

Damit setzt sich Johnsons Niederlagen-Serie fort. Zuvor war er unter anderem zwei Mal mit einem Antrag auf Neuwahl gescheitert. Es gibt damit keine Möglichkeit mehr für eine vorgezogene Wahl vor dem geplanten Brexit-Datum.

Die Abgeordneten hatten zudem im Eilverfahren ein Gesetz durch beide Kammern des Parlaments gepeitscht. Das Gesetz sieht vor, dass der Premierminister eine Verlängerung der Brexit-Frist beantragen muss, sollte bis zum 19. Oktober kein Austrittsabkommen ratifiziert sein. Johnson lehnt das jedoch strikt ab.

An diesem Donnerstag wollte EU-Chefunterhändler Michel Barnier die Fraktionsvorsitzenden des Parlaments über den Stand der Gespräche mit London informieren.

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