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Griechenland wählt Konservative an die Macht

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras muss gehen - die Wähler in dem krisengeschüttelten Land haben sich bei der Parlamentswahl klar für die konservative Partei Nea Dimokratia entschieden.

Agentur
sda
07.07.19 - 23:59 Uhr
Politik

Die Partei von Kyriakos Mitsotakis erzielte am Sonntag laut griechischem Innenministerium 39,7 Prozent (2015: 28,0 Prozent). Im 300-köpfigen Parlament bedeutet das die absolute Mehrheit von mindestens 154 Sitzen, weil der Wahlsieger zur Vereinfachung der Regierungsbildung 50 Sitze zusätzlich erhält.

Die linke Partei Syriza von Alexis Tsipras kam auf 31,5 Prozent (2015: 35,5 Prozent). Ausgezählt waren bis zum späten Abend 75 Prozent der Stimmzettel.

In einer ersten Ansprache sprach Mitsotakis den Griechen am Abend Mut zu. «Ich werde für alle Griechen da sein, ich werde hart arbeiten», sagte er vor Journalisten in Athen. Der Wahlausgang habe nicht nur den Wunsch der Menschen zum Ausdruck gebracht, dass die schweren Zeiten der Krise endeten. «Es war mehr - es geht darum, unser Glück selbst in die Hand zu nehmen, selbst Verantwortung zu übernehmen. Jetzt krempeln wir die Ärmel hoch!»

Zudem wandte er sich an all jene Griechen, die das Land wegen der schweren Finanzkrise in den vergangenen Jahren auf der Suche nach Arbeit verlassen hatten. Sein Ziel sei es, das Leben aller Griechen besser zu machen und auch den rund 400'000 Auswanderern wieder Perspektiven zu bieten.

Tsipras gratulierte

Der scheidende Premier Tsipras gratulierte Mitsotakis nach Bekanntwerden der Ergebnisse. Er betonte, dass der Verlust der Syriza von nur vier Prozentpunkten im Vergleich zu 2015 ein starkes Mandat für die Partei sei, sich im Parlament weiterhin für Themen wie soziale Gerechtigkeit einzusetzen.

Zur Niederlage sagte er: «Wir haben uns hauptsächlich damit beschäftigt, das Land zu retten, und dafür manche Probleme nicht gesehen, die die Menschen beschäftigt haben.» Man hätte jedoch viel Erfahrung gesammelt und stehe parat für die weitere politische Entwicklung im Land.

Sozialisten drittstärkste Kraft

Gute Chancen auf eine erstmalige Vertretung im Parlament in Athen haben die nationalistische und pro-russische Partei Griechische Lösung und die neue Partei des ehemaligen Finanzministers Yanis Varoufakis: Sie lagen bei zehn beziehungsweise neun Abgeordnete.

Drittstärkste Kraft wurde den Hochrechnungen zufolge die aus der sozialistischen Pasok-Partei hervorgegangene Kinal mit 22 Sitzen. Die kommunistische KKE kommt demnach mit 15 Sitzen auf den vierten Platz.

Die rechtsextreme Partei Goldene Morgenröte wird voraussichtlich erstmals seit 2012 nicht mehr im Parlament vertreten sein. Im scheidenden Parlament stellt sie 16 Abgeordnete.

Syriza bereits bei Europawahl abgestraft

Die regierende Syriza war bereits bei der Europawahl Ende Mai von den Wählern abgestraft worden. Ministerpräsident Tsipras hatte die für Oktober angesetzten Parlamentswahlen daraufhin vorziehen lassen. Der Finanz- und Schuldenmisere zum Trotz, welche die Eurozone in die grösste Krise ihres Bestehens stürzte, hatte sich der heute 44-jährige Syriza-Chef Tsipras vier Jahre an der Regierung gehalten.

Der charismatische ehemalige Kommunist war 2015 an die Macht gekommen und hatte an den Börsen zunächst für Unruhe gesorgt. In den folgenden Jahren gelang ihm ein Balanceakt zwischen dem durch die internationalen Geldgeber verordneten Sparkurs und sozialen Massnahmen.

Arbeitslosigkeit zurückgegangen

Im August 2018 verliess Griechenland schliesslich den Euro-Rettungsschirm. Die Arbeitslosigkeit ist in Tsipras' Regierungszeit von 26 auf 18 Prozent gefallen. Mit fast 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ist die griechische Gesamtverschuldung aber weiterhin bei weitem die höchste in der Eurozone.

Wahlsieger Mitsotakis hat im Wahlkampf versprochen, die Wirtschaft Griechenlands zu reformieren und neue Arbeitsplätze abseits des öffentlichen Sektors zu schaffen. Dafür will er um ausländische Investitionen werben und Steuern für Unternehmen senken.

Auch mit der Vetternwirtschaft, die insbesondere den konservativen Vorgängerregierungen vorgeworfen wurde, will er aufräumen. Der 51-Jährige Harvard-Absolvent stammt selbst aus einer regelrechten Politikerdynastie. Sein Vater, Konstantinos Mitsotakis, war bereits griechischer Ministerpräsident und Präsident der ND. Seine Schwester war Aussenministerin und Bürgermeisterin von Athen. Im Juni wurde ihr Sohn, Mitsotakis' Neffe, zum Bürgermeister der Hauptstadt gewählt.

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