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Nach Anschlägen von Sri Lanka: Sicherheitschefs werden entlassen

Nach den Anschlägen in Sri Lanka mit inzwischen mindestens 359 Toten will die Regierung des Inselstaats die Chefs der Sicherheitsbehörden wegen unzureichender Informationspolitik entlassen.

Agentur
sda
24.04.19 - 14:08 Uhr
Politik
Staatspräsident Maithripala Sirisena kündigte an, die Führungen der Polizei und anderer Sicherheitskräfte auszutauschen. Hinweise auf Anschlagspläne seien nicht an die Regierung weitergegeben worden.(Archivbild)
Staatspräsident Maithripala Sirisena kündigte an, die Führungen der Polizei und anderer Sicherheitskräfte auszutauschen. Hinweise auf Anschlagspläne seien nicht an die Regierung weitergegeben worden.(Archivbild)
KEYSTONE/EPA/M.A.PUSHPA KUMARA

Staatspräsident Maithripala Sirisena kündigte am späten Dienstagabend (Ortszeit) in einer Fernsehansprache an, die Führungen der Polizei und anderer Sicherheitskräfte innert 24 Stunden auszutauschen. Hinweise auf Anschlagspläne seien nicht an die Regierung weitergegeben worden.

Es hatte vor den Attacken Hinweise auf Anschlagspläne der Gruppen gegeben, wie Kabinettssprecher Rajitha Senaratne erklärte. Ausländische Geheimdienste hätten bereits am 4. April über mögliche Selbstmordanschläge auf Kirchen und Touristenziele in Sri Lanka informiert - einige Informationen stammten aus Indien, wie Sri Lankas Premierminister Ranil Wickremesinghe bekanntgab.

Sieben sri-lankische Selbstmordattentäter hatten sich am Ostersonntag nahezu zeitgleich in drei Kirchen in mehreren Städten und drei Luxushotels in der Hauptstadt Colombo in die Luft gesprengt. Einige Stunden später gab es zwei weitere Explosionen in einem kleinen Hotel und einer Wohngegend in Vororten Colombos.

Die Zahl der Toten lag nach Polizeiangaben vom Mittwoch bei 359 - darunter waren laut Aussenministerium 34 Ausländer, 14 wurden noch vermisst. Auch zwei Schweizer waren unter den Todesopfern. Laut Unicef kamen auch 45 Kinder ums Leben. Mehr als 400 Verletzte wurden nach Angaben der Polizei noch in Krankenhäusern behandelt.

Einige Verdächtige auf der Flucht

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hatte die Selbstmordanschläge für sich reklamiert. Nach Angaben von Premierminister Wickremesinghe waren noch einige Verdächtige auf der Flucht, manche von ihnen seien im Besitz von Sprengstoff.

Vize-Verteidigungsminister Ruwan Wijewardene sagte an einer Pressekonferenz am Mittwoch: «Wir bitten die Leute, wachsam zu sein.» Mindestens ein verdächtiger Gegenstand wurde am Mittwoch in der Hauptstadt Colombo kontrolliert gesprengt - allerdings handelte es sich um einen Fehalarm.

Wijewardene sagte, die meisten der Attentäter vom Ostersonntag seien gebildet gewesen und hätten der oberen Mittelschicht angehört. Sie hätten im Ausland studiert - einer von ihnen vermutlich in Grossbritannien und Australien.

Insgesamt seien neun Selbstmordattentäter an den Anschlägen beteiligt gewesen, darunter eine Frau. Acht von ihnen seien bislang identifiziert worden, sagte Wijewardene. Mögliche Verbindungen zur IS-Miliz würden geprüft.

Neuseeland widerspricht Sri Lanka

Nach Einschätzung der Regierung Sri Lankas waren die Anschläge als Vergeltung für den Anschlag auf Moscheen im neuseeländischen Christchurch im März gedacht.

Ein Sprecher von Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern sagte am Mittwoch allerdings, der Regierung des Pazifikstaats seien keine derartigen Geheimdienstinformationen bekannt. Bei dem Anschlag eines mutmasslichen Einzeltäters - ein Rechtsextremist aus Australien - auf zwei Moscheen am 15. März waren während der Freitagsgebete 50 Menschen getötet und Dutzende verletzt worden.

IS: Bürger der Koalition attackiert

Das IS-Sprachrohr Amak berichtete am Dienstag in den sozialen Netzwerken, die Angreifer seien IS-Kämpfer gewesen. Es kursierte auch ein Video, das angeblich zeigte, wie die sieben Selbstmordattentäter aus Sri Lanka vor einer IS-Flagge dem IS-Chef Abu Bakr al-Bagdadi einen Treueeid leisteten.

IS-Kämpfer hätten «Bürger der Koalition und die christliche Gemeinschaft» attackiert, hiess es. Eine Verbindung zu Christchurch stellte das Sprachrohr nicht her.

Mit «Bürgern der Koalition» bezeichnet die IS-Miliz Staatsbürger von Ländern, die der internationalen Anti-IS-Koalition angehören, die die Terrormiliz in Syrien und im Irak bekämpft. Sri Lanka gehört der Koalition nicht an. Touristen in den angegriffenen Hotels könnten gemeint sein.

Die Echtheit der Bekennernachricht liess sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Sie wurde über die üblichen Kanäle in den sozialen Netzwerken verbreitet, in denen die IS-Miliz auch in der Vergangenheit Anschläge für sich reklamiert hatte.

Als Täter macht Sri Lanka eine einheimische Islamistengruppe verantwortlich. Über einen Ableger des Islamischen Staates in Sri Lanka ist bisher nichts bekannt. Einige Sri Lanker reisten in der Vergangenheit allerdings nach Syrien, wie Vize-Verteidigungsminister Wijewardene erklärte. Ihre Familien würden überwacht.

60 Personen festgenommen

60 Menschen waren laut Polizei am Mittwoch in Gewahrsam - alle seien Sri Lanker. Dass auch ein syrischer Staatsbürger darunter war, wie die Polizei zunächst bestätigt hatte, dementierte Wickremesinghe. Er bestätigte aber einen Bericht, wonach es einen Anschlagsversuch auf ein weiteres Fünf-Sterne-Hotel gegeben hatte, der fehlschlug.

Am Dienstag waren Notstandsbestimmungen in Kraft getreten, die den Sicherheitskräften nach Angaben von Sirisenas Büro weitreichende Befugnisse einräumen. Solche Bestimmungen waren während des Bürgerkriegs in Sri Lanka von 1983 bis 2009 fast dauerhaft in Kraft - und auch darüber hinaus noch bis 2011.

Die meisten Opfer hatte es bei den Anschlägen in den Kirchen gegeben, als gerade Ostergottesdienste stattfanden. In dem Inselstaat sind etwa sieben Prozent der 20 Millionen Einwohner Christen. Rund zehn Prozent sind Muslime. Die meisten Einwohner sind Buddhisten.

Es hatte in der jüngeren Vergangenheit Gewalttaten von Buddhisten an Muslimen gegeben, die durch Gerüchte in sozialen Medien angeheizt wurden. Auch deshalb wurde nach den Anschlägen der Zugang zu sozialen Medien gesperrt. Grössere Spannungen zwischen Muslimen und Christen hatte es in Sri Lanka zuvor nicht gegeben.

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Danach ist man immer schlauer. Lässt auch in diesem Südostasiatischen Staat die Zusammenarbeit mit "befreundeten" Geheimdiensten diesbezüglich zu wünschen übrig. Von dem Kompetenzgerangel der verschiedenen Sicherheitsbehörden in Sri Lanka, ganz zu schweigen. Ob dies durch den Wechsel der Führungskräfte besser wird, sei einmal dahingestellt. Ihnen steht doch ein Gegner gegenüber, welcher flexibel ist, und mit Sicherheit auch "viele" Befürworter in der Bevölkerung hat. Und ob Vetternwirtschaft wie auch die Korruption dadurch beseitigt bzw. eingedämmt wird, darf stark angezweifelt werden.

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