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EU-Staaten hoffen nach Brexit-Aufschub auf Zustimmung in London

Nach der Einigung auf einen neuen Brexit-Zeitplan hoffen die EU-Staats- und Regierungschefs auf die Zustimmung des britischen Parlaments zum Austrittsvertrag. Doch die Chancen im Parlament für die Brexit-Pläne von Premierministerin Theresa May stehen schlecht.

Agentur
sda
22.03.19 - 16:06 Uhr
Politik
Belgiens Ministerpräsident Charles Michel hat am Freitag in Brüssel das britische Unterhaus aufgefordert, dem Vertrag für einen geregelten EU-Austritt zuzustimmen.
Belgiens Ministerpräsident Charles Michel hat am Freitag in Brüssel das britische Unterhaus aufgefordert, dem Vertrag für einen geregelten EU-Austritt zuzustimmen.
KEYSTONE/AP/FRANK AUGSTEIN

Das britische Unterhaus müsse in der kommenden Woche eine «rationale Entscheidung» treffen und dem Vertrag für einen geregelten EU-Austritt doch noch zustimmen, sagte der belgische Ministerpräsident Charles Michel am Freitag zum Auftakt des zweiten Gipfeltages in Brüssel. Michel warnte, dass das Risiko eines Chaos-Brexit ohne Abkommen noch nicht gebannt sei.

Der luxemburgische Premierminister Xavier Bettel sah mit der Verschiebung des Brexit die Chancen für das Erreichen eines Brexit-Deals «fifty-fifty».

Kroatiens Ministerpräsident Andrej Plenkovic wies auf anhaltende Unwägbarkeiten im britischen Unterhaus hin. «Angesichts der Abstimmungen der letzten Monate sollten wir ein bisschen vorsichtig sein», mahnte er in Brüssel. Das Unterhaus hatte den Brexit-Deal bereits zwei Mal abgelehnt.

Geringe Chancen für Brexit-Deal

Noch ist nicht klar, wann im Parlament zum dritten Mal über das Brexit-Abkommen abgestimmt wird. Eine Regierungssprecherin gab dazu keine Auskunft. Nach Angaben eines Parlamentssprechers wird es zunächst am Montagabend eine Debatte über den Brexit-Kurs geben.

Doch ist weiterhin eine Mehrheit für das Abkommen zum EU-Austritt nicht in Sicht. Der konservative Abgeordnete Craig MacKinlay sagte, es sei «sehr, sehr unwahrscheinlich», dass sie damit erfolgreich sein werde. Unklar ist auch, wie sich der britische Parlamentspräsident John Bercow verhält. Er hatte zuletzt ausgeschlossen, ein drittes Mal über den gleichen Vertrag abstimmen zu lassen.

Ausserdem hat die Verärgerung der Abgeordneten über May in London zugenommen. Die Premierministerin hatte in einer Rede am Mittwochabend ausdrücklich das Parlament für die Verzögerung des EU-Austritts verantwortlich gemacht. «Die Abgeordneten waren unfähig, sich auf einen Weg für die Umsetzung des Austritts des Vereinigten Königreichs zu einigen», hatte May gesagt.

Britischen Medien zufolge haben sich seitdem weitere Parlamentarier von ihr abgewandt. Entsprechend stuften sie am Freitag die Chancen Mays als gering ein, das Abkommen durchs Parlament zu bekommen, und spekulierten über einen möglichen Rücktritt in den nächsten Wochen oder Monaten.

Premierministerin May selbst nahm am Freitag nicht mehr am zweitägigen EU-Gipfel teil. Sie reiste nach London zurück, um bei den Parlamentariern für ein «Ja»-Votum zu werben.

Zweistufiges Brexit-Modell

Der EU-Gipfel hatte sich nach langem Ringen auf eine Art Zwei-Stufen-Plan geeinigt. Stimmen die britischen Parlamentarier nächste Woche dem Brexit-Abkommen zu, wird Grossbritannien Zeit bis 22. Mai für den geordneten EU-Austritt gegeben.

Stimmt das Unterhaus gegen den Deal, dann muss Grossbritannien der EU bis zum 12. April mitteilen, ob es an den Europawahlen teilnehmen will oder nicht. Wenn ja, dürfte es zu einer weiteren Verlängerung der Brexit-Frist kommen. Wenn nein, scheidet das Königreich am 12. April ohne Abkommen aus der EU aus.

May hatte letzten Mittwoch einen Aufschub des Brexit-Datums bis Ende Juni gefordert. Das lehnten die übrigen 27 EU-Staats- und Regierungschefs aber ab, weil es rechtliche Probleme mit den Europawahlen vom 23. bis 26 Mai geben könnte. «Die Europawahlen sind das Limit», warnte der dänische Ministerpräsident Lars Lokke Rasmussen. Darüber könne man nicht hinausgehen. Ursprünglich hatte sich Grossbritannien am 29. März von der EU trennen wollen.

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