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Zentralbahn findet dank russischer Technik Gleis-Schwachstellen

Die Zentralbahn (ZB) hat einen Zug mit einem Messsystem russischer Machart ausgerüstet, das während der Fahrt Daten über den Zustand der Gleise sammelt. Das erleichtert den Unterhalt und soll Kosten sparen. Erste Schwachstellen haben die Sensoren bereits ausgemacht.

Agentur
sda
21.02.19 - 14:40 Uhr
Politik

Die neonfarbenen Striche sind deutlich zu sehen auf den Gleisen unter dem Zug, der am Donnerstagmorgen im Bahnhof Luzern steht. Sechs Lasersensoren sind auf einer Fläche von rund zwei Quadratmetern angebracht und vermessen den Untergrund in Echtzeit und während des Normalbetriebs. Eine Neuheit sei das in Westeuropa, sagen sie bei der Zentralbahn, die 650'000 Franken in das Messsystem der russischen Firma Infotrans aus Samara gesteckt hat.

Bisher überprüfte das Unterhaltspersonal die Schienen von blossem Auge, und einmal jährlich fuhr ein Gleisbaufahrzeug mit einem Messaufbau extra die Gleise ab. Kostenpunkt für eine Fahrt: 80'000 Franken für das 97,8 Kilometer lange ZB-Schienennetz.

Seit rund fünf Jahren ist die neue Technik bereits auf der Zugstrecke zwischen Moskau und St. Petersburg im Einsatz. Sie berge Sparpotenzial, sagte Igor Kandalov, Ingenieur-Direktor bei Infotrans. So müssten nicht mehr Extrazüge mit Personal die Gleise abfahren und Strecken für die Vermessung gesperrt werden.

Bessere Daten-Qualität

Zudem sei die Qualität der Daten besser. Die Sensoren messen bei effektiver Belastung der Gleise und in Echtzeit: Sie liefern bei der Zentralbahn bei einer Geschwindigkeit von 100 Stundenkilometern alle 25 Zentimeter eine Momentaufnahme der Gleise.

Von der Unterseite des Zugs gelangen die Daten in einen mannshohen Technikkasten im Abteil. Dafür mussten zwei Sitzplätze weichen. Die Sensoren erfassen Spurweite, Überhöhung in der Kurve, unterschiedliche Neigung der Gleise, Abnützung des Schienenkopfs, horizontale- und vertikale Gleisverschiebung.

Per Mobilfunk gelangen die Daten zur Aufbereitung und Analyse nach Stansstad NW. Vorgesehen sei eine Vermessung des gesamten Netzes mindestens einmal pro Monat. Davon verspricht sich die ZB einen besseren Zustand der Anlagen und eine Reduktion der Unterhaltskosten.

Putin und die Daten

Bereits heute halten rund 20 Mitarbeitende die Schienen im Schuss. Sie ziehen Schrauben oder Muttern an und stopfen die Gleisunterlage, wo nötig. Künftig könnten sie dies zielgenauer tun.

Erste Auswertungen hätten bereits gezeigt, dass einige Netzabschnitte Fehler im Oberbau aufweisen. Zudem fanden die Sensoren Schwachstellen, die bisher noch nicht bekannt waren. Für die optimale Prognosebildung müssten aber mindestens ein Jahr lang auch unter den sich ändernden klimatischen Bedingungen Daten gesammelt werden.

Die Prognose zum Schienensystem anhand der Daten nimmt Infotrans in Samara für die ZB vor. «Wir wissen nicht, ob Putin mitliest, aber ich glaube, er interessiert sich nicht so sehr für unsere Gleisdaten», sagte Gunthard Orglmeister, Leiter Infrastruktur bei der ZB bei der Präsentation auf deutsch. Was er gerade gesagt habe, erkundigte sich Kandalov daraufhin bei seinem Sitznachbarn.

Die Datensicherheit sei bei den Verhandlungen mit Kunden jeweils der kleinste Vorbehalt, sagte Kandalov. Schliesslich besitze seine Firma die Daten nicht, sondern erhalte sie von der ZB bloss zur Auswertung. ZB-Geschäftsführer Michael Schürch gab zu bedenken, dass für die Interpretation der Daten hierzulande noch das Know-how fehle.

Infotrans wurde 1990 in Samara gegründet und beschäftigt heute rund 300 Mitarbeitende. 2015 schloss das Unternehmen mit den SBB einen Vertrag ab für die Lieferung eines Diagnosefahrzeuges basierend auf dem EuroCity-Wagen.

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