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Schweiz mit idealen Voraussetzungen für Suchtmittelkonsum

Mit der tiefen Regulierung und der hohen Kaufkraft bietet die Schweiz laut Sucht Schweiz ideale Voraussetzungen, um Suchtmittel zu verkaufen oder zu konsumieren. Die Marktdynamik müsste die Akteure aus Politik, Behörden und Gesundheit deshalb mehr interessieren.

Agentur
sda
05.02.19 - 09:00 Uhr
Politik
[gestellte Aufnahme] "Modedroge" Kokain: Rund fünf Tonnen davon werden gemäss Sucht Schweiz jährlich in der Schweiz umgesetzt. (Archivbild)
[gestellte Aufnahme] "Modedroge" Kokain: Rund fünf Tonnen davon werden gemäss Sucht Schweiz jährlich in der Schweiz umgesetzt. (Archivbild)
KEYSTONE/MARTIN RUETSCHI

Es brauche viel Wissen, um die Marktdynamik zu begreifen und Mut, suchtmittelbedingte Probleme anzugehen, schreibt Sucht Schweiz in ihrem Suchtpanorama 2019, das einen Überblick über den Konsum von Suchtmitteln gibt. Die Forschung zeige aber klar: Ein freier Markt - ob legal oder illegal - vergrössere das Risiko von Suchtproblemen.

Wie illegale Drogenmärkte beschaffen seien, dafür habe sich bislang kaum jemand interessiert. Für Gesundheitsfachleute stünden primär die Konsumierenden im Zentrum, für Justiz und Polizei die Fahndung. Mit einem dreiteiligen Projekt zu Heroin, Kokain und Cannabis habe Sucht Schweiz mit Teams des Universitätsspitals und der Universität Lausanne einen neuen Ansatz gewählt: Das Ziel sei, mit mehr Wissen über die Funktionsweise der Märkte zu einer Versachlichung der oft emotional geführten drogenpolitischen Debatte beizutragen.

Milliardengeschäfte

Alkohol, Zigaretten und weitere Nikotinprodukte, Geldspiele oder illegale Drogen: Letztere seien in den Städten schnell und relativ problemlos zu beschaffen. Legale Produkte seien sowieso allgegenwärtig und billig rund um die Uhr zu haben. Ein Geschäft mit Milliarden, schreibt Sucht Schweiz.

Alkohol beispielsweise sei ein konstant gutes Geschäft. Der Markt profitiere seit Jahrzehnten von einer besonders liberalen Regulierung. Beim Tabak sei der Markt im Umbruch. Gefragt seien weniger schädliche Alternativen zum Rauchen, was die Entwicklung des E-Zigarettenmarkts erkläre.

Die illegalen Drogenmärkte folgten je einer eigenen Logik, schreibt Sucht Schweiz weiter. Im Stimulanzienmarkt mache Kokain den grössten Anteil aus. Das geschätzte jährliche Handelsvolumen betrage in der Schweiz rund fünf Tonnen. Das Angebot sei gross, die Preise günstig.

Die sich auf dem Schweizer Markt im Umlauf befindliche Menge an gestrecktem Heroin wird jährlich auf 1,8 bis 2,5 Tonnen geschätzt. Der grösste Teil gehe auf das Konto regelmässig Konsumierender. Die Preise seien viel tiefer als noch vor 20 Jahren.

Der Markt mit legalen CBD-Produkten (Cannabidiol) habe beispielhaft die Dynamik mit einer Vielzahl von Marktzutritten in der Anfangsphase gezeigt. Noch sei offen, wo sich das Marktvolumen stabilisieren werde. Auch eine öffentliche Debatte über den Medikamentenmissbrauch sei notwendig.

Geldspiel: Paradebeispiel für Macht des Markts

Das Geldspiel ist nach Einschätzung von Sucht Schweiz ein Paradebeispiel für die Macht des Markts. Die Bruttospielerträge und damit die Geldverluste der Spielenden beliefen sich auf 1,6 Milliarden Franken pro Jahr.

Während gemäss den Lotteriegesellschaften die Geldverluste der Spielenden zwischen 2007 und 2017 insgesamt etwas zugenommen hätten, hätten sie in den Casinos abgenommen. Der Markt sei äusserst dynamisch und warte mit immer neuen Online-Spielformen auf, die weitere Konsumentengruppen binden wollten. Das neue Geldspielgesetz öffne nun auch den Markt für Online-Casinos.

11'000 Tote und 14 Milliarden Kosten

Psychoaktive Substanzen und das Glücksspiel würden jedes Jahr mit mehr als 11'000 Todesfällen zusammenhängen und mit sozialen Kosten, die 14 Milliarden Franken überstiegen. Die gesundheitspolitische Diskussion, wie denn mit Suchtmitteln umgegangen werden sollte, verlaufe in alle Richtungen. Bei der Frage der Cannabisregulierung drehe sich die Debatte oft im Kreis.

Bei den legalen Produkten Alkohol, Tabak oder Geldspiel lobbyierten die Anbieter im Parlament und beim Bundesrat und wehrten sich erfolgreich gegen Markteinschränkungen. Gesundheitsfachleute konterten demgegenüber, dass wirksame Prävention nicht viel koste. Sie forderten mutige Massnahmen wie das Verbot von Billigstprodukten, weniger Werbung und weniger lange Öffnungszeiten.

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