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Bundesrat setzt sich für Ja zu Versicherungsdetektiven ein

Am 25. November entscheiden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über ein Gesetz, das verdeckte Beobachtungen durch Sozialversicherungen ermöglicht. Aus Sicht des Bundesrates ist das kein unverhältnismässiger Eingriff in die Privatsphäre.

Agentur
sda
09.10.18 - 11:55 Uhr
Politik
Sozialminister Alain Berset stellt sich den Fragen zum Gesetz über Versicherungsdetektive. Aus Sicht des Bundesrates ist dieses nicht unverhältnismässig.
Sozialminister Alain Berset stellt sich den Fragen zum Gesetz über Versicherungsdetektive. Aus Sicht des Bundesrates ist dieses nicht unverhältnismässig.
KEYSTONE/PETER KLAUNZER

Innenminister Alain Berset machte sich am Dienstag vor den Medien für das Gesetz stark. Er argumentierte mit dem Vertrauen in die Sozialversicherungen. Diese ermöglichten den Menschen ein Leben in Würde und finanzieller Sicherheit, gab Berset zu bedenken.

Es sei ihre Pflicht, genau abzuklären, wer Anspruch auf eine Leistung habe, beispielsweise eine Rente der Invaliden- oder der Unfallversicherung. Bei solchen Abklärungen brauche es in Ausnahmefällen auch eine verdeckte Beobachtung.

Enge Grenzen gesetzt

Der Bundesrat räumt ein, dass das ein starker Eingriff in die Privatsphäre sei. Umso wichtiger sei es, dass es keine unnötigen, willkürlichen oder unverhältnismässigen Observationen gebe, sagte Berset. Mit dem Gesetz würden jedoch enge Grenzen gesetzt.

So seien Observationen nur erlaubt, wenn es konkrete Anhaltspunkte für einen unrechtmässigen Bezug von Versicherungsleistungen gebe. Die Observierten müssten im Nachhinein informiert werden und könnten gerichtlich beurteilen lassen, ob die Massnahme rechtmässig gewesen sei. Das beuge willkürlichen Beobachtungen vor.

Weniger Kompetenzen als Polizei

Die Versicherungsdetektive könnten nicht so weit gehen wie die Polizei und der Nachrichtendienst - auch wenn die Gegner etwas anderes behaupteten, betonte Jürg Brechbühl, der Direktor des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV).

Anders als die Polizei und der Nachrichtendienst dürften die Sozialversicherungen zum Beispiel für Aufnahmen keine Richtmikrofone, Nachtsichtgeräte oder Wanzen verwenden. Und für die Ortung mit GPS-Trackern bräuchten sie eine richterliche Genehmigung - wie die Polizei und der Nachrichtendienst. Der Bundesrat hatte den Einsatz solcher Geräte gar nicht zulassen wollen. Im Parlament stand dagegen zur Diskussion, dafür keine richterliche Genehmigung zu verlangen.

Interpretationsspielraum bei Drohnen

In anderen Punkten regelt das Gesetz allerdings nicht genau, wie weit die Detektive gehen dürfen. Dies gilt beispielsweise für Drohnen. Diese wären aus Sicht des Bundes als Instrument zur Standortbestimmung mit richterlicher Genehmigung zulässig, aber nicht zur Erstellung von Bild- und Tonaufnahmen.

Der Bund geht deshalb davon aus, dass der Einsatz nicht bewilligt würde, wie Brechbühl erklärte. Die Angst vor Sozialversicherungsdrohnen sei völlig unbegründet, befand er. Im Parlament hielten die Kommissionssprecher dazu fest, die Interpretation sei Sache der Gerichte.

Nicht im Innern von Häusern

Umstritten ist auch, wo genau Observationen erlaubt wären. Im Gesetz steht, die Person müsse sich an einem allgemein zugänglichen Ort befinden oder an einem Ort, der von einem solchen aus frei einsehbar ist. Gegner und Befürworter sind sich einig, dass das für den Balkon gilt.

Doch sind Observationen auch im Innern eines Hauses zulässig, etwa im Treppenhaus oder in der Waschküche? Aus Sicht des Bundesrates nicht. Das ergebe sich aus den parlamentarischen Beratungen und aus einem Bundesgerichtsurteil. Zwar könnte das Bundesgericht einen künftigen Fall anders beurteilen. Es gebe aber keinen Grund anzunehmen, dass es die Rechtsprechung aufgrund des neuen Gesetzes ändern werde, sagte Brechbühl.

Nur selten Observationen

Dass solche Fragen im Zentrum der Diskussionen stehen, ist nicht im Sinne des Bundesrates. Berset bemühte sich, den Sinn und Zweck von Observationen in den Vordergrund zu rücken. Und er betonte, dazu komme es ohnehin nur selten.

Die IV und die Suva hatten schon früher zu diesem Mittel gegriffen. Vor zwei Jahren kam der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aber zum Schluss, dass dafür keine ausreichende gesetzliche Grundlage bestehe. In der Folge mussten die Observationen eingestellt werden.

2000 Verdachtsfälle im Jahr

Zwischen 2009 und 2016 hatte die IV im Durchschnitt in rund 2000 Fällen jährlich den Verdacht auf einen Versicherungsmissbrauch abgeklärt, davon in rund 220 Fällen mit einer Observation. Die Suva bearbeitete in der gleichen Zeit durchschnittlich 400 Verdachtsfälle im Jahr und observierte dabei rund ein Dutzend Personen.

Bei der IV haben die Observationen laut dem Innendepartement (EDI) den Verdacht auf Versicherungsmissbrauch in rund der Hälfte der Fälle bestätigt, bei der Suva in rund zwei Dritteln der Fälle.

Die IV sparte durch die Abklärung von Verdachtsfällen in den Jahren 2009 bis 2016 insgesamt 1,2 Milliarden Franken, davon 320 Millionen durch Observationen. Das sei mehr als für die Observationen ausgegeben worden sei, sagte Brechbühl. Observationen seien im Grunde immer erfolgreich - auch wenn sich zeige, dass ein Leistungsanspruch vorhanden sei.

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