«Auch im Internet geht es um Zivilcourage»
Ein Team um Franziska Oehmer-Pedrazzi von der FH Graubünden hat sich in einer Forschungsarbeit mit Hassbildern im Netz befasst – die Forscherin über unerwartete Erkenntnisse und wichtige Daten.
Ein Team um Franziska Oehmer-Pedrazzi von der FH Graubünden hat sich in einer Forschungsarbeit mit Hassbildern im Netz befasst – die Forscherin über unerwartete Erkenntnisse und wichtige Daten.
Von Cindy Ziegler
Frau Oehmer-Pedrazzi, was sind Hassbilder?
Franziska Oehmer-Pedrazzi: Hassbilder sind eine Form der visuellen Kommunikation, die sich gegen Gruppen oder Menschen aufgrund eines spezifischen Merkmales richtet. Ein solches kann beispielsweise die Herkunft, das Geschlecht oder auch eine politische Einstellung sein. Wann immer also jemand Mitglied einer spezifischen Gruppe ist und dafür in visueller Form angefeindet wird, sprechen wir von Hassbildern.
Was sind die Kernaussagen Ihrer Studie?
Wie haben uns angeschaut, gegen wen sich die Hassbilder richten, wer sie verteilt und die Kanäle und Plattformen untersucht, über die Hassbilder verbreitet werden. Der spannendeste Befund ist, dass Hassbilder nicht nur über die sozialen Medien verbreitet werden, wie wir das vermutet haben, sondern auch auf Anzeigenportalen wie tutti.ch.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Auf tutti.ch werden beispielsweise ganze Personengruppen zum Kauf angeboten, weil sich diese laut Urheber der Hassbilder besonders gut verfeuern lassen. Es sind sehr, sehr menschenfeindliche Hassbilder. Wir fanden das darum so erstaunlich, weil man solche Portale in diesem Bezug gar nicht auf dem Schirm hatte. Weder wir als Forschende, noch – und das ist viel wichtiger – Regulierungsbehörden.
Was hat Sie sonst noch überrascht?
Auch unerwartet war, dass klassische Medien dazu beitragen, dass Hassbilder verbreitet werden. Die Medien lehnen sich zwar deutlich dagegen auf und distanzieren sich, sorgen aber gleichzeitig damit auch für eine erhöhte Reichweite. Die Hassbilder richten sich übrigens meist gegen Menschen mit einer bestimmten Herkunft oder Religion oder dann gegen Angehörige bestimmter Geschlechtsidentitäten. Wir haben uns zudem angeschaut, wer die Hassbilder hochlädt oder verbreitet. Interessant war, dass auch Politikerinnen und Politiker unter ihrem Klarnamen Hassbilder teilen. Das ist insofern besonders problematisch, weil solche Menschen mit ihrem Kommunikationsverhalten eine Vorbildfunktion haben.
Wie sind Sie zu Ihren Ergebnissen gelangt? Sie gingen ja einen eher unkonventionellen Weg.
Das stimmt. Wir sind mit unserer Studie einen neuen Weg gegangen. Bisher hat man, wenn man Hassbilder oder Hassreden untersucht hat, sich eine Plattform ausgesucht und einen Hashtag oder man hat einen spezifischen Nutzenden-Account untersucht. Bisher ist aber noch niemand hingegangen und hat sich Anzeigenportale angeschaut. Auch wir haben das nur herausbekommen, weil wir einen Teil der Deutschschweizer Bevölkerung aufgerufen haben, uns Hassbilder zu spenden, die ihnen online begegneten. Und nur so sind wir auf diese Kanäle gestossen. Diese sogenannte Citicen Science war für uns als methodischer Ansatz enorm wichtig. Denn unsere Forschung ist immer nur so gut wie die Daten, die wir bekommen.
Wie gingen Sie als Forschende mit diesem Hass um?
Wir haben es als Forschungsprojekt deklariert. Das hat ein bisschen geholfen. Aber wir haben wegen der Kampagne, die öffentlich lief, nicht nur gute Rückmeldungen bekommen. Trolle haben sich in unsere online übertragene Medienkonferenz eingeschlichen. Unsere Kampagnenwebseite wurde ebenso Ziel eines Hackerangriffs. Und auch wir als Privatpersonen kamen sehr schnell ins Visier von Menschen, die etwas dagegen haben, wenn man Hassbilder erforscht. Wir haben beispielsweise auf unseren individuellen Social-Media-Kanälen Anfeindungen erhalten. Ich bin sicher, wir haben nur einen kleinen Teil davon mitbekommen, was andere tagtäglich aufgrund ihrer Tätigkeit erleiden, aber es hat uns schon mitgenommen. Deshalb auch Hut ab an alle, die sich öffentlich gegen Hass positionieren und so exponieren.
Warum haben Bilder eine solche, teilweise eben auch negative, Macht?
Bilder binden unsere Aufmerksamkeit und sind in der Regel einfacher zu verstehen. Visuelle Elemente werden zudem viel eher erinnert. Aber Bilder sind auch immer interpretationsbedürftig. Im Gegensatz zu Texten ist es viel schwieriger zu erkennen, was die Intention ist. Diese Wirkung von Bildern bedeutet natürlich auch, dasssie für unsere Meinungsbildung relevant sind – auch im negativen Sinne.
Und man spricht gerade Fotos ja auch eine erhöhte Glaubwürdigkeit zu.
Ja, das stimmt. Man sagt häufig, dass das, was man auf dem Foto sieht, genauso passiert sein muss. Dabei gibt es nicht erst seit KI Bildmanipulationen. Man kann mit dem Ausschnitt oder dem Winkel und Bildmontagen ganz viel manipulieren.
Wie hat sich die Wirkung von Bildern in den letzten Jahren verändert? Beispielsweise durch Social Media oder KI?
Soziale Medien wie Instagram, Tiktok oder Youtube sind visuelle Medien, sprich sie funktionieren vor allem über Bilder. Das hat natürlich einen Einfluss darauf, wie viele Bilder überhaupt im Umlauf sind. Und auch unsere Rezeptionsgewohnheit hat sich verändert und ins Visuelle verlagert. Oft ist es heutzutage gar nicht mehr möglich, die Ursprungsquelle eines Bildes zu eruieren. Wer hat das Foto gemacht? Und wann und wo?
Welche Handlungsempfehlungen ergeben sich allgemein aus der Studie?
Es braucht ganz klar Regulierungsmassnahmen, die nicht nur klassische Social-Media-Plattformen miteinschliessen, sondern explizit auch Anzeigeportale. Wir wünschen uns als Selbstregulierungsmassnahmen für Parteien sowie Politikerinnen und Politiker, dass sie sich zu einer Selbstverpflichtung bekunden, indem sie als Vorbilder für eine Demokratie auf Mittel wie Hassbilder und Hassrede verzichten – auch gegenüber politischen Gegnerinnen und Gegner. Es ist uns zudem ein Anliegen, dass sich auch Medienvertreterinnen und -vertreter ihrer Rolle als Verbreitungskanal bewusst werden, dass also zum Beispiel darauf verzichtet wird, solche Bilder – seien sie auch kritisch eingebettet – zu reproduzieren, in dem sie abgebildet werden. Und wir wollen animieren, dass sich alle, die auf Hassbilder stossen, sich dagegen positionieren. Auch um Solidarität zu zeigen, gegenüber denjenigen, die dort angegriffen werden. Da müssen wir alle Flagge zeigen.
Welche Vorschläge haben Sie konkret?
Sicher keine Hassbilder liken oder teilen. Im Allgemeinen sollte man dafür sorgen, dass man solche Inhalte nicht weiterverbreitet. Am besten man meldet das Foto und den Account, gewisse Inhalte sind sogar strafrechtlich relevant. Allgemein geht es auch im Internet um Zivilcourage, wobei nicht alle immer Heldin oder Held sein müssen.
Über das Projekt
Die Mehrheit der Internetnutzenden berichtet davon, mit Hassbotschaften konfrontiert zu werden. Fotos, Karikaturen oder auch Memes sind besonders wirkungsvoll bei der Übermittlung solcher Hassbotschaften, der Ausgrenzung von gesellschaftlichen Gruppierungen oder der Diffamierung Einzelner. Dies schreiben die Forschenden über das Projekt. Dennoch sei wenig über Hassbilder bekannt gewesen. Das Forschungsprojekt analysierte deshalb die Inhalte von Hassbildern im Netz, identifizierte mögliche Governance-Optionen zur Bekämpfung von Hassbildern und testete diese Optionen auf ihre Wirksamkeit.
www.fhgr.ch/visuellehassbilder
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