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Shaqiri aus der Rosenstadt

Martin Mühlegg hält eine Postkarte von Fussballer Harry Koch in Ehren.

Linth-Zeitung
17.10.18 - 04:33 Uhr
Fussball
Shaqiri aus der Rosenstadt
Shaqiri aus der Rosenstadt

von Martin Mühlegg

Manche Bilder überstehen Umzüge, andere nicht. Eines, das meine Umzüge nicht nur mitgemacht hat, sondern stets an prominenter Stelle aufgehängt wird, trägt die Überschrift: «Frankfurt 1956 90 000 Zuschauer Weltmeister Deutschland 1 SCHWEIZ 3.» Es ist eine Collage, die ein Fussballteam, zwei Porträts eines Fussballers, ein Porträt eines älteren Mannes mit Lakers-Mütze, den Rapperswiler Schlosshügel und viele Blumen zeigt. «DER FUSSBALLER aus der Rosenstadt», heisst es auf dem Bild, und: «Mit Herz und Wissen und erkennen – verstehen – Können. Logisch Denken – Gesundheit schenken!»

Der Fussballer sieht mit seinen Ratsherrenecken und seinen markanten Gesichtszügen ein bisschen aus wie Xherdan Shaqiri. Harry Koch war aber ein ganz anderer Spielertyp. Er hatte zwar wie die Nummer 23 der Fussball-Nati einen strammen Schuss und eine gute Technik. Er war aber ein aufopferungsvoll kämpfender Verteidiger und ein gescheiter Taktiker.

Der 2012 verstorbene Harry Koch war ein Multitalent. Als 15-Jähriger gehörte er zum ersten Team des SC Rapperswil-Jona, das damals auf der zugefrorenen Kempratner Bucht spielte. Im gleichen Alter spielte er mit seinem Vater, dem Coiffeurmeister Emil, für den FC Rapperswil-Jona in der 3. Liga.

Mit 17 wechselte er zum FC Zürich. An drei Abenden reiste er jeweils mit dem Zug nach Zürich. Gleichzeitig lernte er bei «Meyers Frauen- und Modeblatt» in Jona Retuscheur. Ersten Spielen für die Nationalmannschaft stand sein Lehrmeister im Weg, der ihn nicht freigeben wollte. Seinen sportlichen Höhepunkt erlebte er 1956, als er mit den Grasshoppers Meister und Cupsieger wurde. Im gleichen Jahr schlug er mit der Nati den damaligen Weltmeister Deutschland mit 3:1. Nach Engagements bei den NLA-Vereinen Zürich, Grasshoppers und Winterthur beendete er 1961 seine Karriere. Danach arbeitete er als Trainer, Gastronom und Therapeut.

Koch war nie Profi-Fussballer. In seiner Zeit habe man fairer gespielt als heute, sagte Koch. «Man wollte keinen Gegner verletzen, weil er dann am Montag nicht zur Arbeit hätte gehen können.» Sein grösster «Lohn» war ein Sportwagen, den er von den Grasshoppers erhalten hatte.

Während ich diese Zeilen schreibe, blicke ich ab und zu über den Bildschirm zum Bild, das mir Harry Koch vor zehn Jahren geschenkt hat. Es erinnert mich an drei Treffen mit ihm, an schöne Stunden im «Fussball-Museum», das er in Küsnacht neben seinem Therapieraum eingerichtet hatte. Ich erinnere mich an die Tränen, die der liebe Mann verdrückte, als er von Spielen in Frankfurt (90 000 Zuschauer) und Madrid (120 000) Zuschauer berichtete: «Man muss dankbar sein, wenn man so etwas miterleben durfte.»

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