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Konsumraum

Aufgewachsen in Zürich in den 80er- und 90er-Jahren, war für mich die offene Drogenszene Alltag. In den Mittagspausen eroberten wir unsere geklauten Velos vom Platzspitz zurück und einige Jahre später besuchten wir am Letten unsere ehemaligen Schulkolleg*innen, wie wir unsere Grosseltern besuchten, unter dem Motto: "Man weiss ja nie, wie lange sie noch leben". Obwohl ich eigentlich nie Angst hatte oder mich irgendwie unwohl fühlte, war mir immer klar: Das kann nicht richtig sein. Da stimmt doch etwas nicht!
Erst einige Jahre später wurde mir klar, was da nicht stimmte: Die Schweiz war auch damals schon in weltweiten Umfragen eines der lebenswertesten Länder und Zürich eine der Städte mit der höchsten Lebensqualität. Echt jetzt? Für uns Privilegierten schon - Für viele war's die Hölle. Natürlich gab's auch Hoffnung, Pfarrer Sieber beispielsweise, aber das reichte bei Weitem nicht.
Die Wende kam mit den K&As, den Kontakt- und Anlaufstellen. Eine davon war und ist unmittelbar neben meiner ehemaligen Wohnung im Niederdorf in Zürich, in der ich bis vor zwei Jahren gelebt habe, bevor ich nach Chur gezogen bin. In diesen dreissig Jahren neben der K&A erlebte ich nie Negatives, nur Positives. Ich traf Menschen, die ich längst abgeschrieben hatte, die plötzlich mir in schwierigen Zeiten zur Seite standen statt umgekehrt, und ich lernte Menschen kennen, die meinen Horizont erweiterten und mir grossen Lebensmut schenkten.
Heute kann jeder auf dem Platzspitz chillen oder baden am unteren oder oberen Letten, ohne Spritzen, Blut und sterbende Menschen zu sehen.
Diese Veränderung wünsche ich mir auch für Chur: Einen Stadtpark für alle! Klar, kostet es Geld! Klar, sind es andere Drogen als damals! Klar, kostet dies noch mehr Geld! Aber so, wie es ist, kann es nicht weitergehen: nicht für die Abhängigen, nicht für die Bevölkerung und – so egoistisch bin ich – nicht für mich.
Darum am 9. Juni: Ja zum Konsumraum!!!

Alexandra Stark
01.06.24 - 07:03 Uhr
Leserbrief
Ort:
Chur
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