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Menschenleben aufwiegen?

Die Massnahmen des Bundesrats kosten 16 Millionen Franken pro gewonnenem Lebensjahr. So rechnet uns ein Arzt in seinem Leserbrief vom Donnerstag vor. Der Behauptung liegen zwei gravierende Probleme zugrunde.

Erstens: Die Zahlen sind aus der Luft gegriffen. Herdenimmunität erfordert ein Vielfaches der 3000 Menschenleben, die laut Leserbriefschreiber dank den bundesrätlichen Massnahmen gerettet werden. Und gemäss Angaben schottischer Forscher verliert ein Covid-Toter im Durchschnitt rund zwölf Lebensjahre. Wie kommt der Arzt darauf, es seien deren zwei?

Zweitens, und subtiler: Die Zahlen sind womöglich gar nicht entscheidend. Denn: Ist ein Menschenleben wirklich eine Währung, die sich in Franken umrechnen lässt?

Dahinter versteckt sich eine ethische Grundsatzfrage: Ist Folter, Menschenhandel und Mord erlaubt - wenn nur der Gegenwert genügend hoch ist?

Utilitaristen würden bejahen und versuchen folgerichtig, Menschenleben und Lebensjahre mit Preisschildern zu versehen.

Kantianer indes würden sich dagegen verwehren, Menschenleben gegen Menschenleben aufzuwiegen - geschweige denn Menschenleben gegen Geld. Die Menschenwürde verbietet es. Der Zweck heiligt die Mittel nicht.

Ob man dem Utilitarismus oder dem Kantianismus zuneigt, lässt sich durch eine Frage testen: Ist es erlaubt, einen unschuldigen Menschen zu töten, um mit dessen Organen fünf Menschen zu retten? Oder auf unsere aktuelle Thematik zugeschnitten: Ist es erlaubt, Tausende von Menschen zu opfern, um einen Rückgang des BIP um 6.7% zu vermeiden?

Die utilitaristische Antwort scheint mir nicht ungefährlich.

Reto Givel-Bernhard
08.05.20 - 10:56 Uhr
Leserbrief
Ort:
Chur
Zum Artikel:
Offener Brief an den Bundesrat von Rico Rieder, Ausgabe Gruss, 7. Mai 2020
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Sie scheinen wohl di Komplexität der Massnahmen nicht ganz erfasst zu haben. Ich denke es geht nicht primär um das Geld. Ich denke wir sollten uns Fragen: "Inwiefern steht es uns Menschen zu in die natürliche Verbreitung überhaupt einzugreifen?" Und ich denke sie sollten sich bewusst sein, dass sich nicht nur die Erhaltung des BIPs und "die tausenden Menschenleben" auf der Waage befinden. Nein es geht um die Konsequenzen der Massnahmen. Ich nehme mir die Freiheit und zähle einige davon auf: viel Menschen haben Angst um ihre Existenz, psychische Krankheiten nehmen stark zu, soziale Kontakte werden unterbunden (ältere Menschen leiden besonders darunter), würden wir einen kurzen Exkurs zu der Situation in armen Ländern machen, sehen wir wie stark die Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Lebenssituation der Menschen sind, was gerade sie interessieren dürfte, sind natürlich auch die Schüler, die nicht in die Schule gehen können und wieder auf dem Strich landen (wie sie sich sicher vorstellen können gibt es beispielsweise in Afrika keine Onlineschule).

Sollen wir um möglicherweise ein paar Menschenleben zu retten, extreme Massnahmen ergreifen, die Wirtschaft und die Gesundheit der Bevölkerung gefährden und unsere Rechte star einschränken?

Ein Ja hierzu schein mir nicht ungefährlich.

Geschweige denn können wir die Wirkung der Massnahmen nicht beweisen (auch hier gibt es viel pro und contra Studien). Gerde die Ähnliche Anzahl "Coronatoten" in Ländern wie beispielsweise Schweden lässt mich stutzig werden.

Mein Fazit ist dementprechend Folgendes: Die Massnahmen verursachen Schlimmeres als was sie verhindern sollten (unabhängig ob sie das machen oder nicht).

Es ist immer einfach, im Nachhinein eine Lage zu beurteilen. Wie hätte sich der Herr Doktor wohl anfangs März verhalten und geäussert, als es galt Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen? Aber das war ja noch nie die Stärke der SVP!

Reto Givel-Bernhard, Mensch, der Erhabene, der Alleswisser, der Herrscher über Macht und Geld. Der Mensch der alles im Griff hat, die Bestie, welche die Natur zerstört, mutwillig um Luxus zu schöpfen und seine Macht zu demonstrieren. Sein Ego, Länderübergreifend auszuweiten. Firmen graben Grundrechte von Wasser ab. Zerstören Arme Bauern um Lithium zu schöpfen damit wir, ein grünes Gewand tragen können. Rodungen von unvorstellbarem Ausmass, der Zerstörung des eigenen Klimas, Kriege für Öl,
Tote für Glauben, seit eh und je und es gäbe noch viel mehr, sehr viel Herr Givel,
WELCHER MENSCH FRAGT SICH DA UM EIN PAAR TOTE, WELCHE VON DER ÜBERBEVÖLKERTEN RASSE, vielleicht Ethnisch gesäubert wurden (meist die falschen), ich jedenfalls mit Bestimmtheit nicht. Ausser man darf nicht der Wahrheit ins Gesicht sehen…..

Das war kein medizinisches sondern ein politisches Statement. Der Brief hätte deshalb nicht mit Dr. Rieder sondern mit R. Rieder, SVP unterschrieben werden sollen.
Seine Schätzung über die Anzahl verlorener Lebensjahre von 1 bis 2 Jahren bei einem durchschnittlichen Alter von 84 beim Tod durch den Coronavirus ergibt keinen Sinn, da jeder Durchschnitt auch eine Streuung hat, d.h manche starben jung, andere steinalt. Eine Studie auf der Basis von Daten aus Italien und Grossbritannien der University of Glasgow in Grossbritannien, die Vorerkrankungen berücksichtigte, errechnete einen Verlust an verlorenen Lebensjahren von 13 bei Männern und 11 bei Frauen, und Studien aus Deutschland kommen auf einen Durchschnitt von 9 Jahren.
Aber diese ganzen Schätzungen sind mir eigentlich Wurst. Diese Spekulationen über die wirtschaftlichen Kosten gewonnener Lebensjahre sind einfach nur beschämend. Die Menschheit hat seit der Aufklärung nicht nur in der Wissenschaft und Technik sonder auch, was die Menschlichkeit und Umweltbewusstsein betrifft, ungeheure Fortschritte gemacht. Die SVP zeigt immer wieder, dass sie nicht verstanden hat, was unsere Gesellschaft zusammenhält, weil sie rein utilitaristisch denkt. Eines ihrer Hauptthemen ist «Sozialwerke sichern – Missbräuche bekämpfen». Ab welchem Alter fängt man an das System zu missbrauchen?

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