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Vergleich des Kantons im Baukartellskandal, Offene Fragen an die WEKO

Offene Fragen an die WEKO nach dem Vergleich des Kantons im Baukartellskandal

In einem Interview im Regionaljournal Graubünden vom letzten Freitag zeigte sich der stv. Direktor der WEKO, Frank Stüssi, einigermassen überrascht, dass es während eines WEKO-Verfahrens zu Vergleichsverhandlungen gekommen sei und er sagte, das sei unüblich und erstmalig. Diese Aussage ist irritierend, nachdem die Standeskanzlei Graubünden gleichentags in einer Medienmitteilung wörtlich schrieb, der Anlass zur Aufnahme von Vergleichs-gesprächen sei die Aufforderung des WEKO-Sekretariats an die Strassenbelagsunternehmen gewesen, sich mit dem Kanton zu einigen und das mit dem Hinweis, dass eine Einigung eine bussgeldmindernde Wirkung haben könne. Es überrascht auch, dass Herr Stüssi im Interview angibt, den Vergleich des Kantons nicht zu kennen, während der Kanton selber schreibt, Bemessungsgrundlage für die Höhe der Kompensation von 5 bis 6 Millionen Franken seien «von der WEKO verifizierte Umsatz-Daten». Am gleichen Abend in der Sendung Schweiz aktuell sprach dann Herr Stüssi auch von den Opfern der Preisabsprachen, die es nicht einfach hätten, Schadenersatzforderungen durchzusetzen, weshalb er solche Vergleiche während des Verfahrens begrüsse.

Für mich als Unterengadiner Steuerzahler stellt sich aufgrund dieser Aussagen die Frage, weshalb die WEKO nicht bereits im letzten Jahr, im Unterengadiner Fall, so vorgegangen ist. Wie die WEKO am 26. April 2018 kommunizierte, ging sie in diesem Fall «Engadin I» immerhin von über 400 Beschaffungen aus, welche die Bauunternehmen im Unterengadin abgesprochen hatten und dies bei einem «vorsichtig geschätzten» Beschaffungsvolumen von über 100 Millionen Franken. Ich kann nicht verstehen, weshalb die WEKO nicht bereits damals auch an die Opfer gedacht hat. Schliesslich hat sie ganze 6 Jahre an diesem Fall gearbeitet und gemäss eigenen Angaben in dieser Zeit «mehrere Millionen Seiten Akten» (!) gesichtet. Warum hat das WEKO-Sekretariat die betroffenen Unternehmungen nicht auch im Fall «Engadin I» darauf hingewiesen, dass eine Einigung mit den Gemeinden und dem Kanton zu tieferen Bussen führen könne ? Die fraglichen Unternehmungen wären sicher darauf eingestiegen, zumal sie ja Selbstanzeigen eingereicht hatten. Heute, nachdem die WEKO bereits Bussen von 7.5 Millionen Franken ausgesprochem hat, sind entsprechende Vergleiche zweifelsohne viel schwieriger zu erreichen. Die Gemeinden des Unterengadins werden dadurch ein weiteres Mal zum Opfer.

Und zum Schluss noch ein Anliegen in eigener Sache. Im fraglichen WEKO-Entscheid «Engadin I» wird auf 300 Seiten unter anderem auch festgehalten, es habe zwischen einzelnen Unternehmungen sogar widerrechtliche Verträge über unzulässige Marktaufteilungen gegeben, welche von «Juristen und Beratern» verfasst worden seien. Da ich auch Jurist im Unterengadin bin, erwarte ich eine Aufklärung darüber, wer diese Juristen und Berater waren, welche zu diesem Desaster in unserer Region mit beigetragen haben. Auch dies muss Teil der lückenlosen Aufarbeitung sein; durch wen auch immer !

Not Carl, Scuol

Not Carl
16.06.19 - 11:13 Uhr
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Scuol
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