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Hinterrhein legt am meisten drauf

Unsere Gemeinde wird in gut drei Wochen Geschichte sein und aufhören, als eigenständiges Gemeinwesen zu existieren. Dann nämlich, am 1. Januar 2019, wird sie mit Nufenen und Splügen zur neuen Gemeinde Rheinwald fusioniert. Eine Mehrheit freut sich darüber und stellt den Schritt als Entwicklung in die „richtige Richtung“ dar, andere freuen sich weniger. Der Entschluss ist demokratisch gefallen und kürzlich mit konstituierenden Versammlungen besiegelt worden – soweit so gut. Die Talgemeinde Sufers ist nicht mit im Boot.
Im Vorfeld wurde in einem Radiointerview unter anderem betont, in der Politik gehe es darum, Dinge „zu ermöglichen und nicht zu verhindern“. Einverstanden, nur sollte im Anschlusssatz auch gesagt – oder zumindest angetönt – werden, was der Preis für dieses „Ermöglichen“ ist. Aus meiner Sicht würde Politikern und Politikerinnen aller Chargen eine gewisse Demut und bezeugte Wertschätzung gegenüber den Vorleistungen früherer Generationen gut anstehen, - gerade in Walsergemeinden, die es gewissermassen in der DNA hatten, sich selbst zu verwalten und dafür selbstredend mit schmalem Budget auszukommen.
Dieses Vermissen und ein Pflichtgefühl früheren Generationen gegenüber nötigt mich, für meine Heimatgemeinde zum Finale ein bescheidenes Licht anzuzünden. Kein Scheinwerferlicht, nur eine vorweihnächtliche Kerze. Hinterrhein trägt nicht die letzte Laterne und wird nicht als Schlusslicht in die Fusion eingehen – weder kulturell noch finanziell. Im Gegenteil. Sprache und Kultur der Walser hat die Gemeinde über Jahrhunderte vorbildlich gehegt und nach Möglichkeiten auch gepflegt. Namhafte Publikationen zeugen davon. Selbst Eingriffe und Kraftakte wie der Nationalstrassen- und Tunnelbau am San Bernardino konnten am Selbstverständnis, das walserische Erbe möglichst bewahren zu wollen, nicht rütteln. Entsprechend der Einsatz der Bevölkerung auf allen Stufen. Diesbezüglich wird die neue Fusionsgemeinde viel Luft nach oben haben.
Finanziell wird Hinterrhein mit der Fusion von allen Talgemeinden den grössten Obolus zu verkraften haben. Eine Erhöhung der Einkommenssteuer um 25% könnte andernorts, wo in Gemeinderäten mit harten Bandagen um halbe Prozentpunkte gestritten wird, ein kleines Erdbeben auslösen. Verdoppelung der Handänderungssteuer von 1 auf 2% des Verkehrswerts wäre auch nicht überall unbestritten. Macht auf einen Hauskauf von 500‘000 Fr. statt 5‘000 neu 10‘000 Franken. Dazu eine nicht unbedeutende Erhöhung des Strompreises von gegenwärtig 12.23Rp/kWh auf neu 14.74Rp/kWh. Schliesslich praktisch eine Verdoppelung der Liegenschaftssteuer von 1 Promille auf 1,75 Promille – macht auf obiges Beispiel statt 500 neu 875 Fr. – an sich schon ein Ärgernis, da faktisch ein Doppelbesteuerungsmechanismus auf Vermögenswerte.
Jede Medaille hat zwei Seiten. Wer A sagt, wird B sagen und das Beste daraus machen müssen. Aber nur Grund zum Jubeln und zum sorgenfreien „Ermöglichen“ sind die angesagten Gemeindefusionen nicht.

Elisabeth Hasler-Stoffel
03.12.18 - 12:39 Uhr
Leserbrief
Ort:
Zürich/Hinterrhein
Zum Artikel:
Zum Beitrag "Rheinwald startet mit 100%" in der SO vom 3.12.2018
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