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Bis 90 Prozent weniger Umsatz: Die Buchbranche in der Corona-Krise

Für den Buchmarkt ist der Lockdown ein Desaster. Um die Branche zu retten, werde es massive Unterstützung durch die öffentliche Hand brauchen, sagt der Schweizer Buchhändler- und Verlegerverband.

Agentur
sda
03.04.20 - 14:54 Uhr
Kultur
Im Schweizer Buchzentrum in Haegendorf, das die Buchhandlungen beliefert, stapeln sich die Bücher: Auf dem Schweizer Buchmarkt bricht wegen des Lockdown der Umsatz um geschätzte 90 Prozent ein. (Archivbild)
Im Schweizer Buchzentrum in Haegendorf, das die Buchhandlungen beliefert, stapeln sich die Bücher: Auf dem Schweizer Buchmarkt bricht wegen des Lockdown der Umsatz um geschätzte 90 Prozent ein. (Archivbild)
Keystone/GAETAN BALLY

«Der Begriff Tsunami trifft es sehr gut.» So beschreibt Daniel Waser, Geschäftsleiter des Schweizer Buchhändler- und Verlegerverbands (SBVV), die momentane Lage. Der SBVV geht momentan von Umsatzeinbussen von bis zu 90 Prozent aus; konkrete Zahlen hat der Verband noch nicht.

Das Herzstück fehlt

«Der ganze Osterumsatz fällt weg, das ist schon bitter», sagt Hanni Meinen. Mit Plakaten macht sie im Schaufenster des Bücherperrons, einer kleinen Landbuchhandlung in Spiez, darauf aufmerksam, dass sie trotzdem für ihre Kundschaft da ist. Immerhin: «Ich spüre eine grosse Solidarität von allen Seiten.»

Auch die Buchhandlung Doppelpunkt in Uster - Buchhandlung des Jahres 2019 - beliefert ihre Kunden per Post und per Velo. Auf Wunsch stellen die Buchhändlerinnen Andrea Kalt und Barbara Maurer die Ware auch zu einem vereinbarten Zeitpunkt vor die Ladentüre.

Doch das Herzstück fehlt: Die persönliche Beratung, die Möglichkeit, dass Kundinnen stöbern können. «Das kann man nicht digitalisieren», sagt Andrea Kalt. Als kleiner Ersatz soll der Blog auf ihrer Website mit persönlichen Buchbesprechungen erweitert werden.

Auch der Chinderbuechlade in Bern hat seinen Onlineauftritt angepasst: Eltern finden dort neu Themenideen und Unterrichtsmaterial fürs Homeschooling.

Wegen des Einbruchs gilt derzeit Kurzarbeit in Buchhandlungen, bei Verlagen und Zulieferern, darunter auch in sämtlichen Orell-Füssli-Läden. Ganz anders zeigt sich die Situation im Onlinebereich des Unternehmens: Der Buchhändler organisiert seinen Onlinehandel nicht über die einzelnen Läden, sondern über den zentralen Onlineshop und meldet von dort ein Plus von 50 Prozent.

Hotline für psychologische Soforthilfe

Beim Schweizer Buchhändler- und Verlegerverband laufen die Drähte seit Wochen heiss. «Zurzeit stehen bei unseren Mitgliedern praktische und administrative Fragen im Vordergrund», sagt Daniel Waser. Etwa: Wie muss ich den Antrag auf Kurzarbeit ausfüllen?

Der SBVV habe seine Informationskanäle ausgebaut und Hilfsangebote entwickelt. «Je länger die Ausnahmesituation andauert, desto mehr rechne ich mit emotionalen Fragestellungen», sagt Waser. Seit dem 27. März bietet der SBVV deshalb für seine Mitglieder in Zusammenarbeit mit Carelink eine Hotline für psychologische Soforthilfe an.

Während die Buchhandlungen hoffen, am 19. April wieder öffnen zu können, ist bei den Verlagen das Jahr schon fast gelaufen. Die wichtigen Frühjahrs-Buchmessen, Lesereisen und Promotionsveranstaltungen wurden abgesagt.

Für den Luzerner Verlag Der gesunde Menschenversand, der auf Spoken Word spezialisiert ist, sind die abgesagten Veranstaltungen besonders schwierig, «weil wir mehr als andere Verlage vom Direktverkauf abhängig sind», sagt Inhaber Matthias Burki.

«Es bräuchte dringend eine Unterstützung der Verlage durch den Bund, wie es sie auch für freie Kunstschaffende und Veranstalter gibt», sagt Burki. «Es nützt den Autorinnen und Autoren nichts, wenn ihre Verlage nicht mehr handlungsfähig sind.»

Auch Daniel Waser vom SBVV betont, dass es massive Hilfe der öffentlichen Hand brauchen werde, um die Buchbranche zu retten. «Wir dürfen nicht vergessen, dass Buchhandlungen und Verlage zwar Unternehmen sind, aber auch einen wesentlichen Beitrag zur kulturellen Vielfalt der Schweiz leisten.» Die Margen seien so knapp, dass sich die wenigsten Buchhandlungen oder Verlage eine Verschuldung über Überbrückungskredite leisten könnten. Ohne A-fonds-perdu-Beiträge (öffentliche Gelder ohne Rückzahlpflicht) würden die durch die Epidemie verursachten Probleme nicht gelöst, sondern nur verschoben. Derzeit arbeitet der Verband konkrete Vorschläge aus. Damit der Tsunami «Corona» keinen Totalschaden der Buchbranche hinterlässt.*

*Dieser Text von Maria Künzli, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt- Stiftung realisiert.

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