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«Ein Teil meines Herzens ist bündnerisch»

Anatole Taubman spielte in dem Thriller «Marmorera» die Hauptrolle, den Psychiater Simon Cavegn. Zum 12-Jahr-Jubiläum des Films haben wir mit dem Schauspieler, der bereits in «James Bond: Ein Quantum Trost» und der Netflix-Serie «Dark» zu sehen war, ein Interview geführt.

29.10.19 - 16:55 Uhr
Kultur
Anatole Taubman findet seine innere Mitte durch Yoga.
Anatole Taubman findet seine innere Mitte durch Yoga.
LUKAS SCHWEIZER

Zwölf Jahre ist es her, seit «Marmorera» erschienen ist. Wann hast du dir den Film zuletzt angeschaut?

Zuletzt habe ich den Film im Rahmen eines 50-Jahr-Jubiläums eines Altersheims angeschaut. Und zwar im Altersheim, in dem meine Mutter damals gelebt hat. Das war 2016. Insgesamt habe ich den Film zwei Mal gesehen. Vor zwölf Jahren, als er erschienen ist, und vor drei Jahren.

Als man zum ersten Mal mit der Drehbuchidee auf dich zukam, wie hast du da reagiert?

Zunächst hat mich das wahnsinnig berührt. Ich kannte diese Geschichte nicht. Es steckt eine massive politische und soziale Tragik dahinter, wenn die Städter in die Berge kommen und sagen «Wir brauchen Strom und deshalb müsst ihr jetzt ausziehen». So entwurzelt und der Heimat entrissen zu werden, ist ein zeitloses Thema. Das sieht man auch heute mit der Flüchtlingsthematik. Wie erwähnt hat es mich berührt und fasziniert, ich fand auch das Drehbuch äusserst spannend. Ich bin persönlich auch ein grosser Geschichte-Fan. Ich liebe Geschichte.

Jetzt, wo du die Geschichte von Marmorera kennst, was hältst du von Stromerzeugung mittels Stausee?

Solange es keine Leute betrifft, ist es okay. Obwohl, so einfach ist das ja nicht. Es betrifft ja auch immer die Natur. Immerhin ist es weniger schädlich als Kernkraft oder Kohlekraft. Ich denke, solange es die Natur und die Menschen möglichst wenig betrifft, ist es der richtige Weg zur Stromerzeugung.

Zurück zu den Dreharbeiten. Was hat dir an den Dreharbeiten Spass gemacht, was weniger?

Mir hat alles Spass gemacht! Das war meine erste Hauptrolle in einem Kinofilm. Dann auch noch mit einem Regisseur, den ich persönlich sehr schätze. Auch das Team war grossartig. Dreharbeiten sind nie eine One-Man-Show, sondern immer eine Teamarbeit. Diese Dreharbeiten sind für immer in meinem Herzen verankert. Das waren die wohl nachhaltigsten Dreharbeiten, denen ich jemals beiwohnen durfte.

Was meinst du mit «nachhaltig»?

Gewisse Dreharbeiten und Rollen schüttelt man leichter ab als andere. Aber besonders bei einer Hauptrolle, wenn man so sehr mit einer fiktiven Person, einer Rolle verwächst, bleibt das lange Teil von einem. Ich habe mich stark mit meinem Charakter Simon Cavegn auseinandergesetzt und ihn versucht so authentisch wie möglich zu bewohnen. Und das praktisch in jeder Szene. Da bleibt definitiv etwas haften. Zumindest bei mir. Ich erinnere mich daran, als wäre es gestern gewesen.

Wie hast du dich auf die Rolle vorbereitet?

Ich mach das eigentlich immer auf die gleiche Art und Weise. Ich sehe mich als eine Art «Architekt». Ein Architekt baut ein Haus, ich versuche ein Haus dieser Rolle zu bauen, die ich spielen darf. Da gibt es auch Baupläne dazu. Das Drehbuch, die Gespräche mit dem Regisseur, aber auch Sekundärliteratur und persönliche Recherche.

Hast du dir Marmorera vor Drehbeginn angeschaut?

Ja! Eine Woche vor Drehbeginn ging ich bereits nach Marmorera. Aber das war nicht alles an Recherche, was ich betrieben habe.

Wie hast du dich denn noch vorbereitet?

Ich habe mich auch mit Psychiatern unterhalten, ich war im Burghölzli und habe dort zwei Nachmittage verbracht.

Was ist dir von dieser Recherchearbeit am meisten im Gedächtnis geblieben?

Die Gespräche mit den Bewohnern von Marmorera. Also einerseits mit den Menschen, die jetzt in Marmorera wohnen, aber auch mit den Menschen, die damals im alten Marmorera gewohnt haben. Auch das Unheimliche ist mir im Gedächtnis geblieben. Einer der Männer, die damals im alten Marmorera wohnten, hat mir erzählt, dass er und seine Familie zwangsumgesiedelt wurden. Dieser Mann ist der festen Überzeugung, dass man bei Vollmond nicht zu nahe an das Ufer des Marmorera-Stausees treten sollte.

Warum nicht?

Angeblich kommen die Seelen von jenen, die verschollen sind oder einfach nach der Flutung als vermisst galten, an die Wasseroberfläche und ziehen dich nach unten. Sie wollen sich damit rächen.

Glaubst du an diese Legende?

(Überlegt) Ja, doch. So romantisch bin ich. Ich glaube definitiv an Schicksal und an überirdische Phänomene. Ich würde auf jeden Fall nicht zu nahe an den See bei Vollmond.

Welche Beziehung hattest du vor dem Film zu Graubünden und welche jetzt?

Ich verspüre eine tiefe Liebe zu Graubünden! Ein Teil meines Herzens ist definitiv bündnerisch, ich habe nämlich in Fanas, im Prättigau, gewohnt. Ich habe diese Zeit geliebt.

Falls es einen zweiten Teil des Filmes «Marmorera» geben würde, und dein Charakter Simon Cavegn darin auf irgendeine Art vorkäme, wärst du da wieder dabei? Könnte man sich dich jetzt überhaupt noch leisten, nachdem du schon in Filmen wie «James Bond: Ein Quantum Trost» mitgespielt hast?

(Lacht.) Wenn die Geschichte gut ist, auf jeden Fall! Wenn das Drehbuch stimmt, wäre ich dabei. Und es ist mir auch wichtig , wer es produziert und wer noch mitspielt. Wenn dieses Gesamtpaket stimmt, sind die Finanzen sekundär.

Du arbeitest zurzeit an diversen Projekten, unter anderem spielst du in der dritten und letzten Staffel der Netflixserie «Dark» mit. Ausserdem bist du Familienvater. Wie bringst du das alles unter einen Hut? Was ist dein Ausgleich?

Sehr gute Frage! Die Antwort ist einfach: Yoga.

Du machst täglich Yoga?

Seit fast zwei Jahren schon. Für die innere Ausgeglichenheit hilft mir Yoga sehr. Es gibt Tage, da funktioniert das besser, und Tage an denen das gar nichts bringt. So ist das Leben. Aber mein Leben ist wirklich ziemlich turbulent. Deswegen lege ich nächstes Jahr auch eine Pause ein. Nicht für das ganze Jahr, aber ich trete etwas kürzer. Privatleben, Arbeit und innere Ausgeglichenheit zu balancieren ist eine Herausforderung. Ich glaube, die Privatzeit wird dadurch kostbarer. Ich überlege mir zwei Mal, mit wem ich meine Freizeit verbringen möchte.

Wird der Freundeskreis kleiner, wenn man beginnt, sich das zu überlegen?

Der wird sowieso kleiner, je älter man wird. Weil sich halt der Spreu vom Weizen trennt. Aber sicher auch, wenn man ins Familienleben eintritt, wird der Freundeskreis kleiner. Im Leben geht es auch um Begegnungen. Ich kenne zwar viele Leute, aber ich kann meine wahren, echten Freunde an einer Hand oder maximal an meinen zwei Händen  abzählen. Und das ist gut so. Jede Beziehung braucht Zeit und Liebe. Und der Tag hat hat nur 24 Stunden.

Ist es als Person des öffentlichen Lebens schwieriger, wahre Freunde zu finden?

Nein. Das hat damit rein gar nichts zu tun. Das hängt davon ab, wie man zu sich und zu seinem Leben steht.

Mara Schlumpf ist Redaktorin und Chefin vom Dienst bei «suedostschweiz.ch». Ursprünglich kommt sie aus dem Aargau, hat ihr Herz aber vor einigen Jahren an Chur verschenkt.

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