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Russischer Jung-Komponist lässt Julierturm erbeben

Bereits als «Genie» oder «Wunderkind» apostrophiert, mausert sich der russische Komponist Kirill Richter von Auftritt zu Auftritt zum Aushängeschild der modernen klassischen Musik. Am Freitag führte der Moskowite auf dem Julierturm sein Stück «Russian Requiem» vor ausverkauftem Haus auf.

Jürg Abdias
Huber
12.10.19 - 16:36 Uhr
Kultur
Kirill Richter verzückte die Zuschauer auf dem Julierturm.
Kirill Richter verzückte die Zuschauer auf dem Julierturm.
GIOVANNI NETZER (ORIGEN)

Der letzte Freitag zeigte sich in der ganzen Schweiz von seiner schönsten Seite - so auch auf dem Julierturm. Klarer Himmel, frische Bergluft und unzählige Herbstblätter, die den Turm einbetteten. Man hatte das Gefühl, dass dieser Herbsttag in Savognin wusste, was demnächst auf ihn zukam: Ein russischer Mann, der die Tasten seines Instruments so streichelte, dass er die Herbstblätter wieder zum Schweben brachte. Der russische Komponist Kirill Richter spielte an diesem Tag «Russian Reqiuem» auf dem Julierturm vor vollem Haus. In seinem Werk verarbeitet er die ambivalente Geschichte seines Heimatlandes und widmet es seinem Urgrossvater, der Opfer stalinistischer Repression wurde und viele Jahre unschuldig im Arbeitslager verbrachte. 

«Die reale Geschichte der Gulags, jener menschenverachtenden Arbeitslager, die unter Stalin Millionen von Menschen ihrer Freiheit beraubten, ist nicht genügend aufgearbeitet worden und umfasst auch unsere Nachbarländer. Vieles ist noch nicht ausgesprochen, vieles bleibt noch zu sagen über dieses historische Trauma. Ich muss ständig darüber nachdenken, auch wenn es mich nicht direkt betrifft», erzählt Kirill vor Publikum. Wie er weiter verrät, spielte der Standort für seine Aufführung auf dem Julierpass eine entscheidende Rolle: «Für meinen Urgrossvater war der Sternenhimmel ein Ort der Hoffnung, der ihn immer mit seiner Familie verband, sich über alle Schicksale wölbte. Darum ist es für mich wichtig, die Uraufführung in den Bergen zu spielen, unter all jenen Sternen, die still das grosse Leid der Welt betrachten, das wir uns selbst zufügen.»

Jürg Abdias Huber ist Multimediaredaktor bei «suedostschweiz.ch». Der gelernte Kaufmann aus der Stadt Zürich hat Multimedia Production studiert und lebt im Herzen von Chur. Er arbeitet seit 2018 für die Medienfamilie Südostschweiz.

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