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Wandern geniessen: Experte erklärt Ursachen für Unfälle und wie man sie vermeidet

In der warmen Jahreszeit zieht es viele zum Wandern und Klettern in die Berge. Obwohl der Bergsport begeistert, birgt er Risiken. Stephan Kaufmann vom Verein Wanderwege Graubünden klärt auf. 

Südostschweiz
15.08.24 - 04:30 Uhr
Graubünden

von Sarina von Weissenfluh und Anna Panier

40’000 – so viele Unfälle passieren jährlich beim Bergsport und Wandern in der Schweiz. Vor rund 20 Jahren waren es noch knapp 18’000, wie die Schweizerische Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) schreibt.

Doch warum kommt es zu so vielen Unfällen? Und was könnt ihr als Wanderer oder Wandererin tun, um sicher und wohlauf von euren Ausflügen zurückzukehren? Stephan Kaufmann beantwortet die wichtigsten Fragen. Er ist selbst oft in der Natur unterwegs und leitet als Geschäftsführer den Verein Wanderwege Graubünden.

Herr Kaufmann, die atemberaubenden Bergpanoramen in Graubünden ziehen zahlreiche Wanderbegeisterte an. Gibt es eine Gegend, wo besonders oft Unfälle passieren?

Nein, ich denke, das lässt sich so pauschal nicht sagen. Klar ist, dass überall Unfälle passieren können. Was man jedoch feststellen kann: Die schlimmsten Unfälle geschehen oft dort, wo es auf den ersten Blick nicht unbedingt gefährlich erscheint.

Zum Beispiel wird eine steile Felswand, die über einen Abgrund führt, objektiv als gefährlich wahrgenommen. Ein Weg jedoch, der über einen Hang mit Wiese führt, wird potenziell nicht als Gefahr gesehen, obwohl ein Ausrutschen dort ebenfalls schlimme Folgen haben kann.

Unfälle im Bergsport nähmen allgemein stark zu, sagt die BFU. Was steckt hinter diesem besorgniserregenden Trend?

Grundsätzlich ist jedes Unfallereignis individuell zu betrachten. Aber generell ist festzustellen, dass immer mehr Menschen ihre Freizeit im Freien und besonders in den Bergen verbringen. Je mehr Menschen unterwegs sind, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit von Unfällen. Primär lässt sich der Anstieg der Unfallzahlen also darauf zurückführen, dass einfach mehr Menschen in den Bergen unterwegs sind.

Habt ihr euch schon einmal bei einer Wanderung verletzt?

Auswahlmöglichkeiten

Warum sind heutzutage denn eigentlich so viele mehr Menschen in den Bergen unterwegs?

Abgesehen davon, dass Graubünden natürlich eine schöne Ausgangslage bietet, ist unter anderem sicherlich auch die Coronazeit ein Grund. In dieser Zeit haben viele Menschen den Bergsport neu für sich entdeckt und gemerkt, dass auch die heimische Natur ihren Reiz hat. So fanden viele den Weg in die Berge.

Andererseits ist ein allgemeiner Trend zum Bergsport zu beobachten, der durch Influencer und ihre Posts sowie allgemein durch schöne Bilder von der Natur verstärkt wird. Die Menschen werden dadurch motiviert, rauszugehen, was ja grundsätzlich eine positive Entwicklung ist.

Angesichts der wachsenden Zahl an Bergsportlerinnen und Bergsportler: Welche Ursache führt am häufigsten zu Unfällen in den Bergen?

Ich persönlich glaube, dass das häufigste Unfallszenario der Sturz durch Stolpern ist. Das hat dann verschiedene Folgen, je nachdem, wo man stolpert – auf einem Fussweg schürft man sich vielleicht das Knie auf, aber wenn man an einem Hang stolpert, dann könnte man 200, vielleicht sogar 300 Meter hinunterstürzen.

Bei den Ursachen kann man noch tiefer nachforschen, um den eigentlichen Ursprung zu verstehen. Das führt dann vielleicht zu Punkten, die man in Tipps umwandeln kann, um das Unfallrisiko für Wanderinnen und Wanderer zu minimieren.

Welche wichtigen Tipps leiten Sie aus den Unfallursachen ab, und was sollten Wanderbegeisterte unbedingt beachten?

Es gibt verschiedene Aspekte, die man beachten sollte, und darauf weist auch die BFU hin. Generell sollte man sich bewusst sein, dass, obwohl Wandern an sich simpel erscheint, es einige wichtige Punkte gibt, um sicher unterwegs zu sein.

Einerseits sollte man körperlich fit sein. Wer zum Beispiel während des restlichen Jahres wenig aktiv ist, sollte nicht direkt mit einer sechsstündigen Wanderung im alpinen Raum beginnen – das wäre suboptimal. Andererseits ist eine gute Vorbereitung entscheidend. Einfach loszulaufen ohne Plan ist nicht ratsam. Auch die richtige Ausrüstung ist wichtig – etwa Turnschuhe für eine Bergwanderung zu nutzen, ist nicht empfehlenswert. 

 

Hier erfahrt ihr, was zu tun ist, wenn es zu einem Unfall gekommen ist: 

Trotz aller Erfahrung und Vorbereitung verunglücken auch routinierte Wanderer und Wanderinnen. Was läuft da denn falsch?

Ganz wichtig ist die Eigenverantwortung, die eng mit den Rahmenbedingungen zusammenhängt – also wo man unterwegs ist und wie die Verhältnisse vor Ort sind. Zum Beispiel, ob ein Weg trocken oder rutschig ist. Diese Bedingungen und die eigenen Fähigkeiten müssen in einem Verhältnis stehen. Aber oft ist es schwierig, sich da dann selbst richtig einzuschätzen.

Eigenverantwortung bedeutet auch, dass man entsprechend reagiert, wenn man merkt, dass man an seine Grenzen stösst und beispielsweise auf der Wanderung umkehrt. Ich habe das Gefühl, dass viele ihre Fähigkeiten und die Rahmenbedingungen falsch einschätzen, was zu Unfällen führt. Alle, die in den Bergen unterwegs sind, sollten für sich selbst eine Art Sicherheitsnetz schaffen und in Momenten, in denen sie das Gefühl haben, «vielleicht geht es noch», bewusst entscheiden: «Nein, ich mache das nicht», um auf der sicheren Seite zu bleiben.

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