Kühe mit Blumenschmuck und ich mittendrin – was ich im Klöntal bei meiner ersten Alpabfahrt erlebt habe
Im Klöntal ziehen die Kühe mit mehr Style durch die Strassen als so mancher Instagram-Influencer. Unsere neue Redaktorin Yvonne Samsarova berichtet von ihrer ersten Alpabfahrt und versucht ein Alphorn zu spielen.
Im Klöntal ziehen die Kühe mit mehr Style durch die Strassen als so mancher Instagram-Influencer. Unsere neue Redaktorin Yvonne Samsarova berichtet von ihrer ersten Alpabfahrt und versucht ein Alphorn zu spielen.
Kurz nach meiner Ankunft in Ennenda stöbere ich durch ein Prospekt über das Glarnerland. Sofort fällt mein Blick auf ein Bild: viele Kühe, geschmückt mit Blumen am Kopf. Meine Neugier ist geweckt. Im Ausland, das müsst ihr wissen, ist die Schweiz schliesslich berühmt für ihre Kühe! In Bulgarien gibt es dazu sogar Sprüche, einer davon lautet: «In der Schweiz leben die Kühe besser als die Menschen in Bulgarien.» Zur Einordnung: Bulgarien ist das ärmste Land der Europäischen Union. Aber in dieser Kolumne geht es nicht um Bulgarien, sondern um meine ersten Erlebnisse im Glarnerland. Und gleich am ersten Tag hier wird mir klar: Ich muss unbedingt zu einer Alpabfahrt!
Alpabfahrt im wunderschönen Klöntal
Am Dienstag ist es dann soweit. Ich mache mich zusammen mit meinem Kollegen, unserem Fotografen Sasi Subramaniam, auf den Weg ins Klöntal. Ein Ort, den ich ebenfalls noch nie besucht habe. Da wir beide keinen Führerschein besitzen, sind wir auf den Bus angewiesen. Meine Befürchtung, dass das Probleme geben könnte, stellt sich schnell als unbegründet heraus: In der Schweiz fahren nicht nur die Züge pünktlich, sondern auch die Busse sind bestens angebunden.
Wir steigen aus dem Bus und werden direkt von den Klängen eines Alphorns empfangen – was für ein Start! Der Blick weitet sich über den Klöntalersee, und ich bin sofort hin und weg. Dieses kristallklare Wasser – ein Traum. Während ich mich noch an der Aussicht erfreue, höre ich auch schon die ersten Informationen zum Alpabzug. Sie kommen von Maya Rhyner von der Tourismusorganisation Visit Glarnerland, mit der ich vorab Kontakt hatte. Sie winkt uns freundlich zu und begrüsst uns mit einem strahlenden Lächeln. Ich fühle mich direkt wohl, obwohl ich zum ersten Mal hier bin. Die Menschen sind wirklich herzlich.
Ich entdecke schnell, dass ich nicht die einzige «Fremde» bin. Ein Herr aus Australien steht etwas ratlos mit einem Alphorn in der Hand da und fragt Martin Furrer und Markus Sahli, die beiden Alphornspieler, was er damit eigentlich machen soll. Die beiden nehmen es mit Humor, erklären ihm die Technik und Überraschung: Er kriegt tatsächlich einen ganz passablen Ton hin! Ich bin beeindruckt. Später bin ich dann an der Reihe. Ich werde etwas nervös. Hand aufs Herz, wann hat man schon mal die Chance, ein Alphorn zu spielen? Markus Sahli, der schon seit 35 Jahren Alphorn spielt, und Martin Furrer, der das seit acht Jahren als Hobby betreibt, erklären mir die Basics. Markus erzählt nebenbei, dass er sogar schon in meiner alten Heimat Wien mit einer Band gespielt hat. Die Welt ist wirklich klein.
Mein Kollege Sasi hat inzwischen die Kamera griffbereit und möchte festhalten, wie ich mich am Alphorn versuche. «Na gut», denke ich mir. Mundstück an die Lippen, Lippen formen, Wangen anspannen – und … nichts. Noch ein Versuch. Und tatsächlich, es kommt ein Ton heraus, der sich allerdings eher wie ein gestrandetes Walross anhört als ein Alphorn. Aber hey, ich habe es probiert!
Kaum bin ich mit meiner musikalischen Darbietung fertig, übertönen die Glocken der Kühe den Klang des Alphorns. Sasi und ich sichern uns einen guten Platz und da kommen sie auch schon: die Kühe mit ihren prächtigen Blumenkränzen, was für ein Anblick!
Ich muss jedoch vorsichtig sein, denn die Kühe sind schneller, als man denkt. Während Sasi Fotos von mir mit den Kühen macht, nähert sich plötzlich eine Kuh von hinten. Glücklicherweise gelingt es mir, ihr noch rechtzeitig auszuweichen! Zusammen mit den anderen Zuschauenden lachen wir über dieses Ereignis.
Von Jung bis Alt sind verschiedene Generationen versammelt und schwenken die Flagge des Kantons Glarus. Man spürt, dass die Menschen hier die Alpabfahrten lieben. Mit grosser Freude empfangen sie die Kühe und ich sehe dabei viele lächelnde Gesichter.
Zurück im Büro in Ennenda höre ich plötzlich erneut Kuhglocken. Kühe ziehen über die Hauptstrasse Richtung Mitlödi. Diese Tradition scheint mich zu verfolgen – und ehrlich gesagt, finde ich es grossartig, wie sie die Menschen zusammenbringt.
Über die Kolumne «Wien, Brüssel, Ennenda»
Geboren in München und aufgewachsen zwischen Berlin, Sofia und Wien hat Yvonne Samsarova in drei Ländern Wurzeln geschlagen – Bulgarien, Deutschland und Österreich. Doch jetzt erobert sie ihre vierte Heimat: die Schweiz. Als Journalistin hat sie in Wien und zuletzt in Brüssel für die ARD gearbeitet.
Ihre Leidenschaft im Journalismus liegt darin, Menschen eine Stimme zu geben, die oft überhört werden. Der Traum, in den Bergen zu leben, hat sie schon lange begleitet, und nun wird er wahr. Sie freut sich riesig darauf, die Schweiz und vor allem ihre Menschen besser kennenzulernen – und ihre Geschichten zu erzählen! In dieser Kolumne berichtet sie über ihre ersten Erlebnisse im Glarnerland.
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