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Mord im Klöntal (1/8): Der nackte Tote im Löntsch

Ein Wirt verschwindet nachts aus seinem Bett, seine Leiche wird später nackt angeschwemmt: Die neue Glarner True-Crime-Folge geht einem rätselhaften Todesfall aus dem Jahr 1882 nach.

Ueli
Weber
21.10.24 - 04:30 Uhr
Glarus
War es Mord? 1882 wird eine nackte Leiche aus dem Löntsch bei Riedern gezogen. 
War es Mord? 1882 wird eine nackte Leiche aus dem Löntsch bei Riedern gezogen. 
Illustration Ueli Weber/Dall-E

Freitag, 6. Oktober, 1882: Zwei Tage nach dem Leichenfund

Verhörrichter Jacques Tschudi lässt sich zu der Stelle führen, an der sie den nackten Toten aus dem Wasser gezogen hatten. Die Leiche hatte sich beim Wehr des Fabrikkanals verfangen, berichtet der alte Landjäger Stüssi. Mit dem Gesicht nach unten lag der Körper im Wasser, ein Bein bewegte sich in der Strömung. Im Kopf klaffte ein grosses Loch.

Er habe schleunigst die Herausschaffung des Leichnams veranstaltet, erzählt Dorfpolizist Stüssi. Wirklich kein einziger Faden hing mehr am Körper. Nur einen Krampfring trug der Tote am kleinen Finger – hergestellt aus Nägeln eines ausgegrabenen Sarges. Soll angeblich gegen Krämpfe schützen.

Seit Landjäger Stüssi den Toten aus dem Fluss gezogen hat, sind schon zwei Tage vergangen. Verhörrichter Tschudi ärgert sich, dass es so lange gedauert hat, bis er die Ermittlungen übertragen bekommen hat. Der Fall hat sich irgendwo in der Bürokratie der Glarner Justiz verfangen. 

Alte Dorfansicht von Riedern mit dem Löntsch: Die Leiche von Andreas Stüssi wird beim Wehr der Bleicherei angespült, dem grossen Fabrikgebäude links mit dem Kamin. Das Bild ist digital nachkoloriert. 
Alte Dorfansicht von Riedern mit dem Löntsch: Die Leiche von Andreas Stüssi wird beim Wehr der Bleicherei angespült, dem grossen Fabrikgebäude links mit dem Kamin. Das Bild ist digital nachkoloriert. 
Bild Landesarchiv Glarus

In der Zwischenzeit haben bereits die wildesten Gerüchte im kleinen Dorf Riedern die Runde gemacht. Dass die Frau des Toten ihrem Mann nicht immer treu gewesen sein soll, gehört noch zu den harmloseren Dingen, die man sich in den Wirtshäusern von Riedern erzählt.

Jacques Tschudi ist erst 31 Jahre alt, aber schon seit fünf Jahren Verhörrichter in Glarus. Der Advokat ist damit so etwas wie der oberste Kriminaldetektiv im Glarnerland.

Jetzt steht er hier mit Dorfpolizist Stüssi am Löntsch. Stüssi ist schon 66 Jahre alt. Bevor er Landjäger wurde, war er Drucker, Holzer, Wildheuer und Gämsjäger. Verhörrichter Tschudi gibt dem alten Dorfpolizisten zwei Franken Zeugengeld für seine Schilderung.

Der nackte Tote im Fluss heisst Andreas Stüssi, Bauer und Wirt im «Staldengarten» an der Klöntalerstrasse, 44 Jahre alt, Vater von fünf Kindern, Ehemann von Maria Stüssi. Vor sieben Tagen ging er abends ins Bett und war am nächsten Morgen spurlos verschwunden.

Mittwoch, 4. Oktober: Das geistige Oberhaupt der Familie

Maria Stüssi ist eine kleine, schlanke Frau mit braunen Haaren und grauen Augen. Sie ist 37 Jahre alt und hat sieben Kinder mit Andreas Stüssi gezeugt. Fünf haben überlebt.

Während ihr Mann lieber im Klöntal oben zu den Tieren schaut, führt sie die Gastwirtschaft im «Staldengarten», der ein Stück oberhalb des Dorfes Riedern liegt. Verhörrichter Tschudi bezeichnet Maria Stüssi später als «das geistige Oberhaupt der Familie». Sie bezahlt Rechnungen, führt Buch über Einnahmen und Ausgaben. Was die Gastwirtschaft im «Staldengarten» einbringt, verliert Andreas Stüssi wieder mit seinem erfolglosen Bauernbetrieb. Er besitzt gerade noch eine einzige Kuh dort oben am Ufer des Klöntalersees.

Maria Stüssi sei erblasst, als sie vom Fund erfahren habe. Geweint hat sie nicht. 

Die Brücke über den Löntsch in Riedern. Im Hintergrund sieht man das Restaurant «Edelweiss». Das Bild ist digital nachkoloriert. 
Die Brücke über den Löntsch in Riedern. Im Hintergrund sieht man das Restaurant «Edelweiss». Das Bild ist digital nachkoloriert. 
Bild Landesarchiv Glarus

Mittwoch, 4. Oktober: Die Obduktion

Der tote «Staldengarten»-Wirt wird noch am selben Tag untersucht, an dem er gefunden wird. Der eigentliche Gerichtsarzt ist ausser Landes, also springt sein Schwiegersohn, ein gewisser Doktor Krüger, ein. Im Leichenschauhaus des Kantonsspitals in Glarus schneidet Krüger den Leichnam auf.

Der Körper ist klein und leicht und übel zugerichtet. Krüger stellt das grosse Loch im Schädel fest. Die Innenseite des linken Armes ist bis auf den Knochen aufgerissen, am rechten Bein findet er eine ähnliche Verletzung. Der ganze Rücken ist aufgeschürft, als habe man den Körper am Boden entlanggeschleift.

Andreas Stüssi müsste vier Tage lang tot im Löntsch gelegen haben, schreibt Krüger in seinem Gutachten. «Nach der Section spricht gar nichts für eine verbrecherische Handlung von fremder Seite. Befund wie bei jedem ertrunkenen Menschen.»

Die Wunden erlaubten keinerlei Rückschluss auf eine Gewalttat, notiert Krüger. «Im Gegenteil glaube ich, alle Verletzungen und Zertrümmerungen auf Stösse zurückführen zu müssen, welche die Leiche im Wasser gegen Steine erhielt.»

Freitag, 6. Oktober: Der «Staldengarten»

Tschudi kennt den vorläufigen Untersuchungsbericht des Doktors schon, als er sich in Riedern mit Landjäger Stüssi trifft. Wenn die Leiche beim Fabrikwehr angeschwemmt wurde, muss sie vom Löntschtobel hergekommen sein. Zeit, sich die enge Schlucht anzusehen.

Tschudi marschiert der Strasse entlang hoch in Richtung Klöntalersee. Den alten Landjäger Stüssi und den Ratsweibel hat er im Schlepptau: ein Sherlock mit zwei Watsons. Sie kommen am «Staldengarten» vorbei, wo die Familie Stüssi wohnt. Erst vor fünf Jahren haben sie die Gastwirtschaft gebaut. 

Der Weg zum Wirtshaus «Staldengarten» (oben links) führt entlang der Fabrik im Auli. Diese ist später abgebrannt und steht heute nicht mehr. Das Bild ist digital nachkoloriert. 
Der Weg zum Wirtshaus «Staldengarten» (oben links) führt entlang der Fabrik im Auli. Diese ist später abgebrannt und steht heute nicht mehr. Das Bild ist digital nachkoloriert. 
Bild Landesarchiv Glarus

Der «Staldengarten» steht an einer günstigen Stelle: Hier laufen die Wege von Riedern und von Netstal ins Klöntal zusammen. Im «Staldengarten» kehren im Winter die Fuhrmänner ein, die das Eis vom Klöntal ins Tal hinunterfahren. Im Sommer machen die Touristen, die es hier neuerdings gibt, einen Zwischenhalt auf dem Weg ins Klöntal. Und die Einheimischen kommen auf einen Most vorbei, wenn sie Zeit haben, die paar Minuten Fussweg vom Dorf hier herauf unter die Füsse zu nehmen. Das Geschäft läuft. Es war Maria Stüssis Idee, hier eine Gastwirtschaft zu bauen, ihr Mann war erst dagegen.

Eine Fotografie aus etwas späterer Zeit zeigt den «Staldengarten» mit leuchtend weisser Fassade. Ein paar Gäste sitzen auf einer Bank vor dem Eingang. Vom Vorplatz aus geniesst man die Aussicht aufs Dorf Riedern und auf die Ennetberge. 

Der «Staldengarten» auf einer undatierten Aufnahme, wahrscheinlich einige Jahrzehnte nach Stüssis Tod. Das Bild ist digital nachkoloriert. 
Der «Staldengarten» auf einer undatierten Aufnahme, wahrscheinlich einige Jahrzehnte nach Stüssis Tod. Das Bild ist digital nachkoloriert. 
Hans Bühler

Freitag, 6. Oktober: Tschudi blickt ins Löntschtobel hinab

Verhörrichter Tschudi verlässt die Strasse und geht über eine Kuhwiese weiter zum Cholgrüebli. Ein Brücklein führt dort über eine schmale Schlucht, an deren Grund der Löntsch tost. Tschudi lehnt sich über das Geländer und schaut hinunter ins Löntschtobel. Die Schlucht wirkt selbst im Herbst wie ein Dschungel: Farne wachsen aus Felsspalten, Kletterpflanzen krallen sich an die fast senkrecht abfallenden Felswände. Zu Fuss kommt man nicht hinunter, man müsste sich abseilen. 

 «Der Sturz eines Lebendigen in den eng eingezwängten reissenden Löntsch muss unvermeidlich den Tod herbeiführen», notiert Tschudi. «Der Leichnam wird dann um zahllose Felsen und Steine herumgeschlagen, und zwar umso schärfer, je stärker das Wasser ist.» 

Vier Tage lang muss Andreas Stüssi dort unten in einem Wirbel gefangen oder unter einem Stein eingeklemmt gewesen sein, bevor ihn der Löntsch wieder aus dem Tobel hinausspülte. Sonst hätte man ihn früher gefunden. 

Heute führt ein mit Metallseilen gesichertes Brücklein im Cholgrüebli über das Löntschtobel. 
Heute führt ein mit Metallseilen gesichertes Brücklein im Cholgrüebli über das Löntschtobel. 
Bild Ueli Weber

Verhörrichter Tschudi hat genug gesehen. Mit Landjäger Stüssi und dem Weibel überquert er das Brücklein und folgt dem Weg, der zur hinteren Tobelbrücke führt, die am Eingang des Löntschtobels liegt. Sie ist deutlich grösser als das Brücklein im Cholgrüebli. So wie der Abgrund darunter nochmals deutlich tiefer ist.

Sie werden schon erwartet. Ein gewisser Michael Streiff hat sich als Zeuge gemeldet. Er erzählt dem Verhörrichter, wie er am vergangenen Sonntagmorgen um halb Acht über die Brücke ging und einige Tropfen und zwei geronnene Flecken Blut gesehen hat. Er machte sich damals aber nichts daraus. Erst als er von Stüssis Tod hörte, kamen ihm die Blutspuren wieder in den Sinn. Tatsächlich sind die zwei geronnenen Flecken noch zu sehen. Alle anderen Blutspuren hat der Regen weggewaschen.

Die Steinbrücke überquert das Löntschtobel an dessen tiefstem (oder höchstem) Punkt. Hier findet Tschudi Blutflecken. 
Die Steinbrücke überquert das Löntschtobel an dessen tiefstem (oder höchstem) Punkt. Hier findet Tschudi Blutflecken. 
Bild Ueli Weber

Was soll Tschudi von der Sache halten? Die Verletzungen der Leiche lassen sich erklären. Der Gerichtsarzt ist sich sicher, dass Stüssi ertrunken ist. Doch etwas macht Tschudi stutzig: Warum nur war Andreas Stüssis Leiche splitternackt? Wo sind seine Schuhe und Kleider geblieben?

Tschudi beauftragt den Landjäger, er soll die Frau und die Kinder nachmittags ins Amtslokal nach Glarus bringen. Der Weibel nimmt eine Probe der Blutspuren am Boden. Die will Tschudi nach Zürich schicken, um sie untersuchen zu lassen. Auch Streiff bekommt zwei Franken Zeugengeld.

Samstag, 30. September, und Sonntag, 1. Oktober: Die Tage nach dem Verschwinden

Michael Streiff ist nicht der Einzige, der am Wochenende nach Stüssis Verschwinden Blut gesehen haben will. Immer mehr Zeugen melden sich.

Eine Mutter und ihre Tochter gehen am Sonntag die Klöntalerstrasse hoch. Zwei Mal sagt das Kind, es habe Blut am Boden gesehen. Beim dritten Mal schaut die Mutter nach und entdeckt tatsächlich einen Fleck. Ihrem Kind sagt sie, da sei jemand auf ein Tierlein getreten. Sie selber denkt sich, das komme von einem Frauenzimmer her, das seine Tage habe.

Kurz davor überqueren zwei Jäger mit ihren Hunden die Löntschtobelbrücke. Ihnen fallen Blutspuren von der Brückenmitte bis zum Ufer auf. Sie vermuten, das Blut sei von einem angeschossenen Tier. Sie wundern sich jedoch, dass ihre Hunde nicht nervös werden, wie normalerweise, wenn die Spuren von Wild sind.

Die früheste Beobachtung macht der Kantonsförster, direkt nach dem Verschwinden von Stüssi. Er berichtet, am Samstagmorgen Blutspuren zwischen dem Fulenchopf und der Haselteuffi gesehen zu haben, also weiter oben als die Brücke. Zwei Bauern hingegen treiben am Samstag Vieh die Strasse vom Klöntal herab, ohne dass ihnen Blut auffällt.

Ausserdem meldet sich ein gewisser Jakob Walcher bei Verhörrichter Tschudi. Er erzählt ihm, dass er etliche Tage vor Stüssis Verschwinden mit Nasenbluten über die Brücke gegangen war.

Beim Fulenkopf will der Kantonsförster Blut auf der Strasse gesehen haben. Die Stelle befindet sich etwas oberhalb der Löntschtobelbrücke. Das Bild stammt aus dem Jahr 1890, acht Jahre nach dem Tod von Andreas Stüssi. Die Aufnahme ist digital nachkoloriert. 
Beim Fulenkopf will der Kantonsförster Blut auf der Strasse gesehen haben. Die Stelle befindet sich etwas oberhalb der Löntschtobelbrücke. Das Bild stammt aus dem Jahr 1890, acht Jahre nach dem Tod von Andreas Stüssi. Die Aufnahme ist digital nachkoloriert. 
Bild ETH-Archiv

Bei einem solchen Durcheinander braucht ein Sherlock mehr als zwei Watsons. Tschudi notiert seine Überlegungen: «Die ersten Mitteilungen von Blutspuren auf der Tobelbrücke liessen vermuten, dass Stüssi betäubt oder tot bis auf die Tobelbrücke transportiert und von derselben ins tiefe Tobel gestürzt worden ist.»

Die Blutspuren auf der Strasse jenseits der Brücke stellen diese Theorie jedoch infrage. Oder hat jemand die Spuren absichtlich gelegt, um die Ermittlungen in die Irre zu führen? «Undenkbar», glaubt Tschudi, «da ja gerade durch diese Spuren die allgemeine Aufmerksamkeit früher hätte erweckt werden können.»

Freitag, 6. Oktober: Das erste Verhör

Um vier Uhr nachmittags trifft Maria Stüssi mit ihren Töchtern Regula, 19, und Margrith, 15, im Amtslokal in Glarus ein. Der 18-jährige Fridolin fehlt, er ist angeblich noch im Klöntal bei den Tieren. Verhörrichter Tschudi befragt zuerst die Töchter, dann erst die Mutter.

Tschudi fragt Maria Stüssi gerade heraus, ob sie etwas zum Tod ihres Mannes zu sagen habe. «Nein, gar nichts, das ist mir alles ein Rätsel», entgegnet sie.

«Hattet Ihr abends etwa noch Wortwechsel?»

«Nein, nicht im mindesten. Ohne ein Unwörtchen gingen wir zu Bett.»

Während Tschudi das Verhör führt, beugt sich der Aktuar über das aufgeschlagene Protokollbuch und kritzelt mit Tinte und Feder jede Frage und jede Antwort nieder. Jede Frage bekommt eine Nummer. Am Ende der Untersuchung werden es mehrere Tausend Fragen sein. Tschudi stellt Maria Stüssi vorerst nur wenige: Wann hat sie ihren Mann zuletzt gesehen? Wie hat sie vom Tod erfahren? Schläft er in Nachthemden?

Sie antwortet ruhig und gefasst und setzt am Ende des Verhörs ihre Unterschrift unter das Protokoll: «Vorgelesen und bestätigt.» Tschudi lässt sie gehen. Ihr Weg zurück in den «Staldengarten» führt sie durch Riedern, vorbei an den Vorgärten und Fenstern ihrer Nachbarn.

Mittwoch, 4. Oktober: Abendlicher Besuch

Später erfährt der Verhörrichter, dass Maria Stüssi am Abend des Leichenfunds noch Besuch bekommen hat: Ihr Vater und ihr Bruder waren herbeigeeilt. In einem der oberen Zimmer stellten sie Maria zur Rede. Wenn etwas an den Gerüchten dran sei und sie etwas über den Tod ihres Mannes wisse, müsse sie jetzt mit der Wahrheit herausrücken.

Marias Vater, Gemeindepräsident Vögeli, erinnert sich später gegenüber Tschudi: «Vater, schlafet ruhig, ich bin unschuldig!», habe seine Tochter gesagt. Tschudi hakt nach: «Sie hatten also doch die Vermutung, dass die Tochter über das Verschwinden ihres Mannes etwas wisse?» Vögeli: «Vermutung könnte ich nicht sagen. Aber weil so viel geredet wurde, sahen wir uns zu ernstlichen Fragen veranlasst.»

Freitag, 6. Oktober, zwei Tage nach dem Leichenfund

Im Glarnerland sieht kaum jemand ein, weshalb Maria Stüssi noch frei herumläuft. In Riedern erst recht nicht. In der Zeitung liest Tschudi von der «im Publikum verbreiteten Annahme, dass hier ein Verbrechen zugrunde liege». Doch er ist sich nicht sicher, ob in der Nacht auf Samstag ein Verbrechen passiert ist.

«Unter solchen Umständen konnten wir uns nicht entschliessen, zu Verhaftungen und Hausdurchsuchungen zu schreiten», schreibt er später in seinem Schlussbericht über den Fall. Dieser wird sich stellenweise mehr wie eine Verteidigungsschrift seiner Ermittlungen als eine Anklageschrift lesen – aber spannend wie ein Kriminalroman. Heute liegt der Schlussbericht zusammen mit allen Untersuchungsakten im Landesarchiv in Glarus. 

Tschudi steht offensichtlich unter grossem Druck, den mysteriösen Todesfall aufzuklären. Mit 26 Jahren ist er Verhörrichter geworden, ohne Ehrgeiz geht das nicht so schnell. Jetzt bekommt er vielleicht seinen grossen Fall.

Verhörrichter Tschudi heisst offiziell Johann Jakob Tschudi. An der Universität in Zürich schreibt er sich als Jacques Tschudi ein. Sein Vater besass die Adler-Bierbrauerei in Schwanden und war Ratsherr. 1861 verstarb er überraschend auf einer Vergnügungsreise, da war Jacques Tschudi gerade 10 Jahre alt. Vielleicht lässt dieser darum keine Zeit verstreichen. Neben seiner Arbeit als Anwalt und Verhörrichter ist Jacques Tschudi auch Landrat im Kantonsparlament. Zu Hause warten eine Frau und zwei kleine Töchterchen.

Was geht hinter den grauen Augen von Maria Stüssi vor? Sie hat sich im ersten Verhör nichts anmerken lassen. Gleich wie ihre Töchter macht sie einen glaubwürdigen Eindruck auf Tschudi. Auch wenn er einräumen muss, dass genug Zeit blieb, um Beweise verschwinden zu lassen und Abmachungen zu treffen. Dass die Kinder so kaltblütig sein können, will Tschudi allerdings nicht glauben: «Allein, dessen waren wir überzeugt, hätten jedenfalls die Kinder sich in irgendeiner Hinsicht auffallender benommen.»

Diese Meinung wird Tschudi ändern.

Ueli Weber ist stellvertretender Redaktionsleiter der «Glarner Nachrichten». Er hat die Diplomausbildung Journalismus am MAZ absolviert und berichtet seit über zehn Jahren über das Glarnerland.

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