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Warum diese Strassenlampe in Netstal mitten auf der Kuhweide steht und einen Birnbaum anleuchtet

Mitten auf einer Wiese in Netstal steht eine Strassenlampe, die Nacht für Nacht einsam vor sich hin brennt. Das steckt hinter ihrem kuriosen Dasein. 

Marco
Lüthi
03.11.24 - 16:07 Uhr
Glarus
Tagsüber fällt sie neben dem Birnbaum kaum auf. In der Nacht, wenn ihr Kopf unter dem Hut weiss leuchtet, kann sie sich aber nicht mehr verstecken. Spätestens dann wird sich bestimmt die eine oder der andere verwundert fragen: «Was macht denn die dort?» Die verwitterte Strassenlampe steht stramm inmitten der saftigen Kuhwiese im Gebiet Hof in Netstal in der Nähe des Fussballplatzes. Ein erkennbarer Weg, den sie beleuchten soll? Fehlanzeige.

«An dieses spezielle Bild habe ich mich längst gewöhnt», sagt eine Nachbarin. Seit sie vor gut zehn Jahren in das Haus am Dorfrand von Netstal zog, stehe die Strassenlampe schon in der Wiese. «Ohne einen dienlichen Zweck.» Inzwischen sei ihr die Strassenlampe eine Art Freundin geworden. «Sie ist immer da – vor allem nachts ist es dank ihr nicht ganz so finster», sagt sie. 

Licht für nächtliche Besuche

Die Geschichte dieser verwaisten Strassenlampe reicht über 50 Jahre zurück. Einer, der sie kennt, ist Hans Peter Spälti, Gemeinderat und Departementsvorsteher Bau und Versorgung der Gemeinde Glarus. Der Netstaler erzählt: «Der Hof gehörte damals einer alteingesessenen Familie aus Netstal. Einer der drei Brüder bewirtschaftete dort als Landwirt die umliegenden Flächen. Die beiden anderen Brüder wohnten im Gässli und im Haselholz. Um ohne Umweg zu ihrem Bruder im Hof zu gelangen, gingen sie zu Fuss über die Wiese zur Liegenschaft. Um sich zwischen dem Gässli und dem Hof nicht im Dunkeln bewegen zu müssen, wurde auf ihr Begehren durch das damalige EW Netstal diese Strassenlampe errichtet.»

Der Betonkandelaber und die darauf montierte «Huber-Leuchte» der J. Huber Ing. AG aus Männedorf sind immer noch dieselben. Gleich geblieben ist auch der Zweck: den nach wie vor unbefestigten Weg über die Wiese zu beleuchten. Doch dieser wird längst nicht mehr so regelmässig und fleissig begangen wie einst. Weshalb der Wegverlauf nur noch beim genauen Hinschauen zu erkennen ist. Und so aufmerksame Passantinnen und Passanten auf dem gut 40 Meter entfernten Fussweg zwischen dem Gässli und dem Schlöffeli über die Strassenlampe in der Kuhwiese rätseln lässt. Mehr auch nicht. «Reklamationen gab es bisher keine», sagt Spälti. Aus praktischem Grund vermutet er: «Das Streulicht der Lampe erhellt in der Dunkelheit etwas die Umgebung, was den Spaziergängern dienlich ist.»

Auf der Landeskarte existiert der Weg seit über 20 Jahren nicht mehr: Eine Zeitreise anhand der digitalen Kartensammlung des Bundesamts für Topografie (Swisstopo) zeigt, dass der Wiesenfussweg von der Gässli-Strasse zur Liegenschaft Hof in Netstal nach 2001 verschwunden ist.  
Auf der Landeskarte existiert der Weg seit über 20 Jahren nicht mehr: Eine Zeitreise anhand der digitalen Kartensammlung des Bundesamts für Topografie (Swisstopo) zeigt, dass der Wiesenfussweg von der Gässli-Strasse zur Liegenschaft Hof in Netstal nach 2001 verschwunden ist.  
Bilder Screenshot swisstopo.ch

Ein Zeitzeuge, der bleiben soll

Die Hof-Strassenlampe ist eine von knapp 2000 Strassenlampen in der Gemeinde Glarus. Beinahe die gesamte öffentliche Beleuchtung wurde inzwischen auf LED umgerüstet, um so den Stromverbrauch und die Lichtverschmutzung zu reduzieren. «Auch die Strassenlampe in der Hof-Wiese wurde längst mit einem adäquaten Leuchtmittel ausgestattet», sagt Spälti. 

Für Spälti ist die Strassenlampe auf der Hof-Wiese Teil der Netstaler Dorfgeschichte: «Aus Sicht der historischen Betrachtung finde ich es angebracht, solche Zeitzeugen nicht einfach zu entfernen. Sie regen zum Nachdenken mit der Dorfgeschichte an. Und das ist gut so.»

Marco Lüthi ist Redaktor und Produzent bei den «Glarner Nachrichten» in Ennenda.

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