Nicht jedes Rindvieh ist eine Kuh: Mit diesen Alp-Facts könnt ihr bei den Glarner Alpabfahrten mitreden
Warum schicken wir eigentlich unsere Kühe die Berge hoch? Und was bitteschön ist eine Zeitkuh? Diese Fakten und Begriffe müsst ihr kennen, um euch bei den Glarner Alpabfahrten nicht zu blamieren.
Warum schicken wir eigentlich unsere Kühe die Berge hoch? Und was bitteschön ist eine Zeitkuh? Diese Fakten und Begriffe müsst ihr kennen, um euch bei den Glarner Alpabfahrten nicht zu blamieren.

Alpen gibt es nicht nur in den Alpen
Die Alpwirtschaft, also der Viehtrieb auf höher gelegene Sömmerungsweiden, ist in Österreich schon für die Zeit vor 3000 Jahren nachgewiesen. Ausser in den Alpen kennt man diese Bewirtschaftungsform heute noch in den Karpaten und in den Pyrenäen. Die Alpwirtschaft war die Voraussetzung dafür, dass die Täler in den Alpen überhaupt nennenswert besiedelt werden konnten, denn auf den Talweiden und -äckern alleine hätten nicht genügend Lebensmittel produziert werden können.
Im Kanton Glarus ist etwa im Gegensatz zum Bündnerland schon früher nur der Senn mit seinem Personal und dem Vieh auf die Alpen gezogen. Die Familie blieb auf dem Talbetrieb. Deshalb gibt es im Kanton Glarus keine Maiensässe mit Dorfcharakter. Glarner Alpbetriebe haben zwei oder drei Stafel. Die Alpsaison beginnt im Frühling auf dem Unterstafel, anschliessend ziehen Senn und Vieh – falls vorhanden – auf den Mittelstafel. Im Hochsommer wird der Oberstafel bezogen und dann geht die Reise bis im Herbst wieder abwärts.
Drei Rinder sind zwei Stösse
Die Besitzer der Alpen, im Kanton Glarus sind das in der Regel die Gemeinden, sind gesetzlich verpflichtet, eine Alpordnung zu erlassen. Sie regelt, wie die Alp bewirtschaftet wird. Nach kantonalem Recht muss die Alpabfahrt spätestens am letzten Tag des Septembers stattfinden. Die Anzahl der Tiere, die auf einer Alp gesömmert werden dürfen, bemisst sich nach Stössen. Ein Stoss ist der Futterbedarf einer Kuh während 100 Alptagen. Andere Tiere werden in Kuhstösse umgerechnet. So kommen beispielsweise auf drei Rinder zwei Stösse. Durch die Alpordnung wird verhindert, dass die Alp vom Pächter übernutzt wird.
Im Kanton Glarus gibt es rund 90 Alpen, die in rund 120 Sennten gegliedert sind. Pro Alp kann es also eine oder mehrere Sennten geben. Eine Sennte ist die Wirtschaftseinheit, die vom Senn geführt wird.
Die Produkte der Glarner Alpen reichen von der Schafsömmerung über die Produktion von Milch, die ins Tal geführt wird, bis zur Herstellung von Alpkäse.

10’000 Rinder mit fast so vielen Bezeichnungen
Auf den Alpen des Kantons Glarus werden gut 10'000 Stück Rindvieh gesömmert. Ausserdem gut 3000 Schafe und gut 500 Ziegen. Für die Rinder gibt es eine für Laien kaum überblickbare Menge von Bezeichnungen:
- Das Kalb: ein Rindvieh im Alter bis zu einem Jahr.
- Der Jährling: ein Rindvieh im Alter von einem bis zwei Jahren.
- Die Mässe: ein weibliches Rindvieh im Alter von einem bis zwei Jahren.
- Die Zeitkuh: ein tragendes Rindvieh.
- Die Kuh: ein Rindvieh, das gekalbt, also ein Kalb geboren, hat und Milch gibt. Zum ersten Mal macht das eine Kuh im Alter von gut zwei Jahren, sie ist dann:
- Die Erstmelk: junge Kuh, die nach der Geburt ihres ersten Kalbes Milch gibt.
- Das Rind: ein Rindvieh im Alter von zwei bis drei Jahren, das trächtig ist.
- Die altmelke Kuh: Kuh am Ende der Laktation, also der Zeit im Jahr, in der sie Milch gibt.
- Das Galtvieh: ein Rindvieh, das keine Milch gibt, weil es zu jung ist oder weil es galtgestellt ist. «Galtstellen» bedeutet, dass die Milchproduktion gestoppt wird, um das Tier in den letzten Wochen der Trächtigkeit zu schonen.
- Der Muni: ein männliches Rindvieh.

Früher Ziger, heute Käse
Heute werden von 29 Sennten knapp 100 Tonnen Glarner Alpkäse produziert. Kaum noch eine Bedeutung hat die Herstellung von Rohziger als Ausgangsprodukt für den Schabziger, die früher vor allem im Glarner Unterland verbreitet war. Der grösste Teil der Milch wird heute aber unverarbeitet ins Tal transportiert.
Auf den Glarner Alpen wurde die Produktion von Käse erst im 19. Jahrhundert bedeutsam. Dies im Gegensatz zu anderen Gebieten der Schweiz, wo die Käseherstellung bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgt werden kann. Auf den Glarner Alpen sind dagegen lange Zeit vor allem Ziger und Butter produziert worden.
- Die blaabe Milch: Magermilch, also Milch ohne Rahm, die eine bläuliche Farbe hat. Aus ihr wird Ziger hergestellt.
- Der Etscher: Mit Milchsäurebakterien versetzte -> Schotte, die bei der Herstellung von Ziger die Milch zum Gerinnen bringt.
- Das Lab: Ein Gemisch aus Enzymen, früher aus Kälbermägen, heute auch aus Mikroorganismen hergestellt, das die Milch beim Käsen zum Gerinnen bringt.
- Der Bruch: mit der Harfe zu Körnern geschnittene geronnene Milch.
- Die Schotte: Flüssigkeit, die nach der Herstellung von Ziger im Kessi zurückbleibt.
- Die Sirte: Flüssigkeit, die nach der Herstellung von Käse im Kessi zurückbleibt, auch Molke genannt.
- Die Suuffi: frischer heisser Ziger mit Schotte.

Wozu man auf der Alp eine Harfe braucht
Bei der Verarbeitung der Milch auf der Alp wird diverses Gerät benötigt:
- Die Tanse: ein mit einem Deckel verschliessbares Gefäss zum Transport von Milch auf dem Rücken.
- Die Gebse: eine Schale mit 15 bis 30 Litern Inhalt, in der die frisch gemolkene Milch aufbewahrt wird, damit der Rahm oben aufschwimmt und dann abgerahmt werden kann.
- Das Kessi: ein bis zu 1000 Liter fassendes Gefäss aus Kupfer, in dem die Milch beim Käsen oder Zigern erhitzt wird.
- Der Brecher: Werkzeug zum Umrühren des frischen Käses im Kessi.
- Die (Käse-)Harfe: Werkzeug, um den frischen Käse im Kessi zu Bruch zu schneiden.
- Das Järb: ein Holzreif, in den die frische Käsemasse gepresst wird, damit sie die zylindrische Form erhält.

Zu guter Letzt: Das tragen die Tiere am Hals
- Die Treichel: Die Kühe tragen bei der Alpabfahrt Treicheln am Hals. Treicheln sind aus Blech hergestellt und haben einen ovalen Grundriss. Sie kommen im Alltag nicht zum Einsatz, weil sie zu gross und zu schwer sind.
- Die Glocke: Glocken sind bei der Alpabfahrt bei Ziegen oder anderen kleinen Tieren anzutreffen. Sie sind aus Metall gegossen. Glocken haben einen runden Grundriss.
- Die Schelle: Schellen sind kleine Treicheln, die auch im Alltag zum Einsatz kommen.
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Daniel Fischli arbeitet als Redaktor bei den «Glarner Nachrichten». Er hat Philosophie und deutsche Sprache und Literatur studiert.
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