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Was passiert mit diesem Nazistein in Chur?

Auf dem Churer Friedhof Daleu steht seit 1938 ein unscheinbares Nazirelikt aus der Vergangenheit – das bisher einzige in der Schweiz. Was mit diesem Stein passieren soll, lässt Urs Marti offen.

Nicole
Nett
27.01.23 - 14:13 Uhr
Ereignisse

«Ich wusste nichts davon», sagt der Churer Stadtpräsident Urs Marti gegenüber dem Nachrichtenportal «srf.ch». Es irritiere ihn sehr, dass in Chur ein Denkmal der Nationalsozialisten stehe, heisst es im Artikel. Der Nazistein befinde sich seit 1938 mitten auf dem Friedhof Daleu. 1955, nach dem Zweiten Weltkrieg, wurde das Relikt saniert. Jetzt decken historische Recherchen von SRF Investigativ die Vergangenheit des Denkmals auf. Sicher ist: Es ist das erste und bisher einzige entdeckte nationalsozialistische Relikt der Schweiz.

Auftraggeber des Denkmals sei der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge gewesen. Diese Organisation wurde im Jahr 1919 für die Pflege von deutschen Soldatengräbern gegründet und kümmerte sich bald um die Gräber der gefallenen Soldaten im Ausland, wie es weiter heisst. Die Kriegsgräberfürsorge habe sich ab dem Jahr 1933 den Grundsätzen des Nationalsozialismus unterworfen. Für Adolf Hitler und seine Partei seien bereits der Erste Weltkrieg und dessen Tote von immenser Bedeutung gewesen.

In Vergessenheit geraten

In der Stadt Chur ist in den letzten Jahren nichts passiert, was den Nazistein angeht. Stadtpräsident Urs Marti sagt gegenüber «srf.ch»: «Ich glaube, meine Vorvorgänger haben nach dem Zweiten Weltkrieg die Chance verpasst, dieses Denkmal kritisch zu hinterfragen.» So seien irgendwann die Hintergründe des Denkmals nicht mehr erkennbar gewesen. 

Was nun mit dem Nazistein passiere, sei offen, so Marti. Zuerst wolle die Stadt die Reaktionen der Bevölkerung und Politik abwarten.

Soll das Nazidenkmal auf dem Churer Daleufriedhof verschwinden?

Auswahlmöglichkeiten

Wie es im SRF-Artikel weiter heisst, könnte sich Urs Marti das Denkmal auch als Mahnmal vorstellen. Die Lehre daraus sei: «Wenn sich Länder machtpolitisch und kriegerisch ausdehnen wollen, muss man wachsam sein und frühzeitig reagieren. Das hat man offensichtlich in den 1930er-Jahren zu wenig gemacht.»

Der Bündner SP-Nationalrat Jon Pult wiederum forderte am Freitag ein Mahnmal im Umfeld des Nazisteins. Es solle ein Ort werden «der Erinerung über die Nazi-Verbrechen und deren Verbindungen zu unserem Kanton und unserer Stadt», schrieb er auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Was mit dem Stein passiere, sei «sorgfältig zu klären». Zudem, so Pult, solle der Kanton seine Geschichte zur Nazizeit aufarbeiten lassen.

Nicole Nett schreibt und produziert hauptsächlich Geschichten für «suedostschweiz.ch». Die gelernte Kauffrau hat Multimedia Production studiert und lebt in der Bündner Herrschaft. Sie arbeitet seit 2017 für die Medienfamilie Südostschweiz.

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Dieser Brocken stand nun über 80 Jahre da und hat niemanden wirklich gestört. Daraus heute so ein Medien-Thema zu machen, ist kaum sinnvoll oder vernünftig.

Es handelt sich hier ja scheinbar nur um ein Denkmal an 58 in der Schweiz verstorbene deutsche Soldaten. Es ist somit keine Grabstätte, da keine sterblichen Überreste dieser Soldaten unter dem riesigen Steingebilde ruhen. Es wäre wohl besser, wenn man dieses Denkmal sofort entfernen würde, denn es gibt genug andere traurige Erinnerungen an die Nazizeit und deshalb braucht es nicht noch ein neues Mahnmal.

was hat ein Gedenkstein des Jahres 1918 mit dem Hintergrund des Andenkens der begrabenen Soldaten im Ausland mit den Nazis zu tun?

Chur wurde nach allen Bränden von Deutschen/Schwaben immer wieder mit aufgebaut und darunter waren auch diese Soldaten.

Ich persönlich finde, das Ihre Recherche in eine Richtung geht die dem ganzen Stein und seinem Hintergrund nicht entspricht.

Adolf Hitler war persönlich im 1.WK und hat deshalb die damit verbundenen Soldaten so für sich angepriesen.

Auch ich bin der Meinung, dass dieser Aufruhr unnötig ist und ich hoffe, dass der Churer Stadtrat vernünftig entscheidet und den Stein als Mahnmal sieht und ihn so bezeichnen wird.
Ich wünsche mir auch, dass meine Eltern, die auf dem Friedhof Daleu begraben sind, weiterhin in Frieden ruhen dürfen.

Auch heute schon am Internationalen Gedenktag an den Holocaust bzw. die Schoah ist dieser Stein ein Gedenkstein. Er erinnert uns an die Verbrechen der Nazis. Er erinnert uns an Millionen Morde und das unmenschliche Handeln im damaligen Deutschland und Europa. Er erinnert uns daran, dass Rassismus und Ausgrenzung von Minderheiten immer noch Tief in unserer Gesellschaft verankert sind. Doch durch die Erinnerung können wir etwas machen. Wir können uns unseren verdecken Rassismus und wie wir andere Menschen ausgrenzen wieder ins Bewusstsein rufen und damit an uns arbeiten, bessere Menschen zu werden.
Ich wünsche mir, dass die Denkmalpflege Graubünden, die Stadt Chur, Bündner Kantonalbank und die Gesellschaft der Menschen in Chur einen gute Lösung für diesen Stein finden. Ich selber könnte mir eine Hinweistafel vorstellen, die Klardeklariert wofür dieser Stein steht und das er lange Zeit in Vergessenheit geraten war. Vielleicht mit der Botschaft, dass die Verbrechen der Nazis niemals in Vergessenheit geraten dürfen und an unsere eigene Verantwortung und das Eintreten gegen Rassismus und Ausgrenzung appeliert.

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