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«100 – 248 – 1»

Drei Zahlen zeigen die wirtschaftliche Benachteiligung der Frauen in der Schweiz. Die Juristin und Feministin Zita Küng hat sie an den Frauenstreik nach Glarus gebracht.

Daniel
Fischli
15.06.19 - 04:30 Uhr
Ereignisse

Die erste Zahl: Die Frauen in der Schweiz haben miteinander pro Jahr 100 Milliarden Franken weniger Einkommen als die Männer, obwohl sie gleich viele Stunden arbeiten. Die zweite Zahl: Der Wert der unbezahlten Arbeit der Frauen liegt pro Jahr bei 248 Milliarden Franken. «Das ist mehr als die Ausgaben des Bundes, aller Kantone und aller Gemeinden miteinander», rechnet die Zürcher Juristin und Feministin Zita Küng am Frauenstreik in Glarus vor. «Die Gesellschaft könnte ohne diese unbezahlte Arbeit nicht existieren.» Die dritte Zahl: Pro Jahr leisten die Frauen in der Schweiz eine Milliarde Stunden unbezahlte Arbeit bei der Betreuung ihrer Kinder. Kochen oder Putzen noch nicht einmal eingerechnet.

«Frauen arbeiten gratis, Frauen arbeiten in Niedriglohnbranchen, und Frauen erhalten für die gleiche Arbeit weniger Lohn.»

Rund 200 Frauen und ein paar Männer sind gestern Mittag in den Volksgarten an den Frauenstreik gekommen. Die jüngsten gehen noch zur Schule, die ältesten sind mit dem Rollator da. Es ist die alte sozialdemokratische Kämpferin da und die SVP-Landrätin. Zwei lila Fahnen wehen dort, wo sonst Fridolin oder Schweizerkreuz hängen. In den Bäumen baumeln Kartons mit den Forderungen. «Gleichberechtigung ist nicht die Hälfte vom Kuchen. Es ist die Hälfte der Bäckerei!», steht da etwa.

Zita Küng hat 1991 den ersten Frauenstreik mitorganisiert und ist in Glarus die Hauptrednerin. Die Parole «100-248-1» begleitet ihre Rede. Die wirtschaftliche Benachteiligung der Frauen in der Schweiz führt Küng darauf zurück, dass Frauen oft gratis arbeiten würden, dass sie in Niedriglohnbranchen arbeiten und dass sie für die gleiche Arbeit weniger verdienen würden als Männer. «Das kann doch wohl nicht sein!», sagt Küng.

Es ist nicht alles in Ordnung

Zita Küng ruft dazu auf, den Konsens aufzukündigen, dass alles in Ordnung sei. Rund 780 Frauen und Männer haben das gemacht, indem sie eine Petition an Regierung und Landrat unterschrieben haben. Regierungsrätin Marianne Lienhard, Landratspräsident Bruno Gallati und Ratsschreiber Hansjörg Dürst sind in den Volksgarten gekommen, um die Petition abzuholen.

Die 780 Unterzeichnerinnen fordern etwa Lohntransparenz und Lohngleichheit in der Verwaltung oder die Erhöhung des Frauenanteils in politischen und wirtschaftlichen Führungspositionen. «Das Übliche», wie sich Organisatorin Elisabeth Brugger ausdrückt. Das Unübliche wäre dann also die Forderung, dass der Kanton untersucht, wie es um die Gleichstellung im Glarnerland bestellt ist. Und dass daraus in einer Fachgruppe Massnahmen abgeleitet werden, um die Gleichstellung voranzutreiben. «Dafür sind Ressourcen im Budget einzuplanen», heisst es in der Petition.

Die Regierungsrätin weiss noch nicht, was in der Petition von ihr gefordert wird. Sie dankt aber vorsichtshalber einmal allen Frauen, die sich zum Streik versammelt haben. Etwas verbindlicher ist der Landratspräsident, der verspricht, dass «das eine oder andere» aus der Petition umgesetzt werde. «Alles!», antworten ihm die Streikenden im Chor.

Daniel Fischli arbeitet als Redaktor bei den «Glarner Nachrichten». Er hat Philosophie und deutsche Sprache und Literatur studiert.

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