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Käser bestreitet Schuld an Ölunfall in der Grafenau

Ein Käser aus der Region wehrt sich vor Gericht gegen einen Strafbefehl: Er sei nicht dafür verantwortlich, dass in Kaltbrunn Hunderte Liter Heizöl in die Umwelt gelangt sind. Mitangeklagt sind zwei weitere Männer.

Südostschweiz
18.10.18 - 22:19 Uhr
Ereignisse
Enorme Verschmutzung: In der Grafenau bei Kaltbrunn mussten mehr als 100 Tonnen Erde abgetragen werden.
Enorme Verschmutzung: In der Grafenau bei Kaltbrunn mussten mehr als 100 Tonnen Erde abgetragen werden.
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Von Christoph Leiber

Ein Käser aus der Region hat bereits mehrfach die Gerichte beschäftigt. Gestern kam es vor dem Kreisgericht See-Gaster in Uznach zu einem weiteren Strafprozess gegen ihn: Er musste sich für einen Ölunfall in der Kaltbrunner Grafenau verantworten – sowie für unerlaubtes Bauen am selben Ort. Der Beschuldigte wirkt als Bevollmächtigter für die Liegenschaft, die bis Ende August als Asylunterkunft genutzt wurde.

Mitangeklagt waren für den Ölunfall ein Angestellter des Mannes und für das unerlaubte Bauen der Chef der Firma, der die Liegenschaft gehört. Für den Käser und seinen Gehilfen fordert die Staatsanwaltschaft Geldstrafen und Bussen. Für den Firmenchef will sie es bei einer Busse bewenden lassen. So steht es in Strafbefehlen, welche die drei Männer angefochten hatten. Deshalb standen sie gestern vor dem Einzelrichter – zusammen mit ihren drei Anwälten.

Diese versuchten die Strafbefehle durch koordinierte Plädoyers zu zerpflücken. Kernpunkt ihrer Strategie: Die Anklage genüge den Anforderungen nicht. Der Anwalt des Käsers sprach von einer «romanhaften Schilderung ohne Grundlage». Der Fall sei daher an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen – oder die Beschuldigten seien freizusprechen. Die Staatsanwaltschaft blieb dem Prozess fern.

Wiederaufbau oder nicht?

Der Vorwurf des unerlaubten Bauens wurde gestern zuerst verhandelt. Laut der Anklage hatte die Eigentümerfirma mehrere Umbauten ohne Baubewilligung durchgeführt und sich dabei über zwei Baustopp-Verfügungen der Gemeinde Kaltbrunn hinweggesetzt. Auch der Wiederaufbau der Asylunterkunft nach einem Grossbrand am 27. September 2015 sei nicht bewilligt gewesen.

Dem widersprach der Anwalt, der den in Graubünden wohnhaften Firmenchef verteidigte: «Es war kein Wiederaufbau, sondern nur eine Wiederinstandsetzung», machte er geltend. Denn das Gebäude sei nicht ganz abgebrannt. Der Kaltbrunner Gemeindepräsident Markus Schwizer habe persönlich die Auskunft erteilt, dass eine Baubewilligung nicht erforderlich sei, behauptete der Verteidiger.

Aus Sicht der Verteidigung beruht die Anklage auf nicht verwertbaren Aussagen.

Scharf kritisiert wurde die Gemeinde auch für das Beweismaterial, das sie vorgebracht hatte. Dieses dokumentiere nicht, wann die Bauarbeiten ausgeführt wurden, sagte der Anwalt. Folglich könne nicht widerlegt werden, dass die Bauarbeiten am 18. Oktober 2015 bereits abgeschlossen waren. Denn alles, was vor jenem Tag geschah, ist verjährt.

Schwere Vorwürfe an die Polizei

Noch unübersichtlicher wurde es für die Beobachter im Uzner Rathaussaal, als es um den Ölunfall ging. Klar war einzig die Strategie der Verteidiger: Sie argumentierten, dass die Anklage auf nicht verwertbaren Aussagen des rumänischen Arbeiters beruhe. Weil dieser kaum Deutsch spreche, habe er bei seiner Einvernahme die Fragen nicht verstanden, sagte sein Anwalt. Dessen Vorwürfe wiegen schwer: «Die Polizei befragte meinen Mandanten suggestiv und legte ihm Antworten in den Mund.»

Wie gut der Rumäne Deutsch spricht, blieb gestern ungeklärt. Denn die Fragen des Richters beantwortete er konsequent mithilfe einer Übersetzerin. Allerdings versteht er gut genug Deutsch, dass der Käser ihn zur Tatzeit am 1. Februar 2017 per Telefon in die Grafenau beordern und ihm Aufträge erteilen konnte. Vor Gericht verweigerte er die Aussage.

Wasser brachte Tanks zum Kippen

Zu dem Ölunfall kam es bei heftigen Regenfällen, die zu Überschwemmungen führten. Dabei liefen Teile der Asylunterkunft voll – so auch der Tankraum, der am tiefsten gelegen ist. Weil mehrere Tanks durch den Auftrieb des Wassers umkippten, liefen Hunderte Liter Heizöl aus. Beim Auspumpen des Raumes gelangte das Öl-Wasser-Gemisch auf angrenzendes Wiesland. Ein kleiner Teil versickerte dort, während der grössere Teil in den nahen Böschgraben abfloss. Die Feuerwehr konnte gerade noch rechtzeitig eingreifen, bevor die Gewässer weiträumig verschmutzt wurden.

Laut der Staatsanwaltschaft nahmen der Käser und sein Gehilfe die Umwelt- und Gewässerverschmutzung bewusst in Kauf. Eventualvorsatz nennt sich das in der Juristensprache. Wie in der Anklage zu lesen ist, liess der Hauptangeklagte den Rumänen das verschmutzte Wasser abpumpen, obschon dieser ihn telefonisch auf das austretende Öl hingewiesen habe.

«Raum war bis zur Decke voll»

Diese Darstellung stimme «hinten und vorne nicht», hielt der Käser entgegen. Weil der Tankraum bis zur Decke mit Wasser gefüllt gewesen sei, habe sein Angestellter das austretende Öl gar nicht bemerken können. Die automatische Pumpe, die im Tankraum installiert sei, werde vom Heizungskeller aus gesteuert. Dort habe der Rumäne überprüft, ob sie noch funktioniere. Dass die Tanks umkippten, führt der Hauptangeklagte auf die «Jahrhundertniederschläge» zurück – und weist ebenfalls jede Schuld von sich: «So etwas ist schlicht nicht vorhersehbar», betonte der Mann. Er und sein Arbeiter hätten «nach bestem Wissen und Gewissen» gehandelt.

Für den Verteidiger des mehrfach vorbestraften Käsers ist klar: Wenn der Richter bei ihm ein Verschulden sieht, dann darf er ihn bloss wegen Fahrlässigkeit verurteilen. Dies würde das Strafmass reduzieren. Fahrlässigkeit bedeutet: Der Beschuldigte hat seine Sorgfaltspflicht verletzt – zum Beispiel, weil er die Öltanks nicht genügend gesichert hatte.

Das Urteil wird schriftlich eröffnet.

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