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Maturitätsschulen, Englisch, Cambridge-Zertifikate

Wie sich die Bündner Kantonsschulen selber abwerten

Es ist Zeit, einmal aufzuzeigen, wie im Kanton Graubünden der Wert der Matura ohne Not vermindert wird. Es geht um das Fach Englisch, wo seit zwanzig Jahren ein internationaler, kommerzieller Test statt der Vorbereitung auf das Studium im Zentrum steht: Im letzten Schuljahr müssen die Schüler:innen das ‘Cambridge Advanced’ ablegen und selber bezahlen, wobei die erzielte Punktzahl in die Zeugnis-Note einfliesst.
Dieser Test ist weder einfältig noch nutzlos, doch er gehört nicht an eine Eidgenössische Maturitätsschule. Weshalb nicht? Am Gymnasium werden die Schüler:innen auf ein Studium vorbereitet, auch im Fach Englisch. Es geht um Lerninhalte und Sprachkompetenzen, die im Studium relevant sind, zum Beispiel um die Fähigkeit, einen grösseren argumentierenden Text mit intellektuell hochstehendem Inhalt zu verfassen. Im Cambridge-Test werden jedoch mehrere kleine Texte (260 Wörter) verlangt, die keinerlei akademische Relevanz besitzen. An den Bündner Kantonsschulen wird viel Aufwand betrieben, um die Schüler:innen auf diesen Test vorzubereiten. Keine Lehrkraft will ihre Student:innen durch eine zu knappe Vorbereitung benachteiligen. Das nennt man ‘teaching to the test’ und ist, da der Test nicht akademisch propädeutisch ausgerichtet ist, eine Ressourcen-Verschwendung. Die meisten Schüler:innen sind gegen diesen Test. Immer wieder kommt es vor, dass einzelne Mutige ihn verweigern und dann eine Note 1 erhalten. Die Englisch-Lehrer:innen sind praktisch geschlossen gegen diesen Test, wurden jedoch in der fadenscheinig durchgeführten Vernehmlassung übergangen.
Nicht nur der Wert der Englisch-Ausbildung an den Kantonsschulen wird gemindert, das Ganze ist eine eklatante Missachtung der Universitäten, welche die angehenden Lehrkräfte nicht für die Cambridge-Tests ausbilden, sondern für gymnasiale Zielsetzungen.
Was tun? Leider haben sich die Rektorate der Bündner Kantonsschulen und das Amt für Höhere Bildung trotz mehrmaliger Vorstösse nicht für eine Behebung des geschilderten Missstandes interessiert. Dabei wäre es so einfach: Die Vorbereitung auf die Cambridge-Tests gehört in ein Freifach, so wie es die meisten Schweizer Kantonsschulen handhaben. Die ursprünglich für das Fach Englisch vorgesehenen Lehrpläne sollen wieder hervorgeholt und befolgt werden, denn sie bereiten die Schüler:innen auf das Studium vor, nicht auf einen internationalen, kommerziellen Allerweltstest.

Daniel Bietenhader, ehem. Engl.-Lehrer Kantonsschule Chur
08.07.24 - 15:49 Uhr
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Ort:
Chur
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Meine Sprachkompetenzen wesentlich ausgebaut habe ich mir in und aus Alltagssituationen, Medien, Texten verschiedener Schwierigkeitsgrade (inkl. Comics als wertvolle Starthilfsraketen) und Filmen und Videos ausser- und innerhalb von YouTube. Ebenso durch Erschliessen aus mir schon besser bekannten Sprachen. Zur Steigerung des Wirkungsgrades im schulischen Sprachunterricht gehört mehr Alltäglichkeitsatmosphäre, und Vokabeln mitsamt Testst müssen viel weniger isoliert und zusammenhangslos wirken. Immersionsunterricht ist da ein brauchbarer Ansatz. Als Fundament für eine allfällig nötige Sprachkompetenz zur Verfassung akademischer Texte.