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Churerin arbeitete für Mini-Lohn - Betreiberin korrigiert Fehler

Im Altersheim Villa Sarona hat sich eine Angestellte gegen ihren Lohn gewehrt. Die Situation wurde so kompliziert, dass am Ende die Kesb eingeschaltet wurde. Die Betroffene erhielt gegen ihren Willen einen Beistand – aber auch ihren vollen Lohn.

Südostschweiz
26.02.20 - 15:34 Uhr
Wirtschaft

Stellt Euch vor, Ihr habt mehrere Jahre lang eigenständig und selbstbestimmend gelebt. Dann wird Euch auf einmal dieses Recht genommen. Diese Situation hat eine Churerin erlebt, die sich gegen ihren tiefen Lohn wehrte.

Aber beginnen wir am Anfang. Daniela Rothenberger arbeitet im Wohn- und Pflegezentrum Villa Sarona in Chur. Dieses gehört zur edlen Altersheimkette Tertianum. An drei Nachmittagen hilft sie dem Hausdienst, wie «blick.ch» schreibt.

Die 62-Jährige hat eine geistige Beeinträchtigung. Diese schränkt sie aber nicht im Alltag ein. «Ich bin nur etwas langsamer als die anderen», wird die Seniorin zitiert.

«Lieber wollte ich wenig verdienen als gar nichts»

Als Rothenberger ihren Job annahm, verdiente sie 500 Franken im Monat. Im September teilte die Villa Sarona mit, dass der Lohn leistungsbedingt auf 100 Franken gekürzt wird.

Rothenberger konnte das Handeln ihres Arbeitgebers nicht nachvollziehen. «Ich dachte, sie sind zufrieden mit mir.» Sie entschied sich dennoch, den neuen Vertrag anzunehmen. Sie wolle lieber wenig verdienen als gar nichts.

Wie «blick.ch» herausgefunden hat, schlägt die Villa Sarona aufgrund des tiefen Lohns von Rothenberger finanziellen Gewinn. Das Altersheim erhält eine Entschädigung vom Sozialamt, welche mit Steuergeldern finanziert wird. Diesen Beitrag erhalten Betriebe, die Personen mit Behinderung einstellen. Das Geld deckt den zusätzlichen Aufwand, den eine beeinträchtige Person generieren kann.

Im Fall von Rothenberger bekommt der Arbeitgeber 44 Franken pro Tag. Monatlich erhält das Altersheim dadurch also 264 Franken. Nochmals zum Vergleich: Rothenberger erhält 100 Franken Lohn im Monat.

Anstellung aus Solidarität

Gegenüber «blick.ch» erklärt Roger Zintl, Sprecher von Tertianum: «Wir nutzen niemanden aus. Im Gegenteil. Unsere Mitarbeitenden kümmern sich fürsorglich um Unterstützungsbedürftige.» Die Anstellung habe nichts mit finanziellen Gewinnen zu tun, sondern sei ein soziales Engagement. «Wir geben diesem Menschen eine Aufgabe, eine Struktur und das Gefühl des Gebrauchtwerdens», so Zintl.

Rothenberger macht die ganze Situation laut dem Online-Portal aber traurig. Sie fühle sich ausgenutzt. Das kantonale Sozialamt habe damit kein Problem. Der zuständige Leiter der Behindertenintegration bestätige, dass man über den Fall Bescheid wisse, es aber keinen Grund zur Änderung gebe. Man verlasse sich auf eine Einschätzung von Pro Infirmis. Die Behindertenhilfsorganisation hat letztes Jahr eine Abklärung an Rothenberges Arbeitsplatz durchgeführt. Doch weder das Sozialamt noch Pro Infirmis machen diesen Bericht öffentlich.

Keine Selbstbestimmung mehr 

Vor Kurzem hiess es dann seitens des Arbeitgebers Tertianum, man habe einen internen Fehler gemacht. Wie Andreas Bantel von Tertianum sagte, handle es sich in diesem Fall um einen internen Fehler. Dieser sei inzwischen rückgängig gemacht worden, und das zu wenig ausbezahlte Gehalt werde nach bezahlt. «Unter Strich ändert sich für Frau Rothenberger nichts, sie erhält nach wie vor ihren Lohn von 500 Franken pro Monat», so Bantel.

Laut «blick.ch» hat Tertianum aber auch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde eingeschaltet. «Sie wollen, dass die Kesb abklärt, ob meine Schwester doch einen Beistand braucht», erzählte der Bruder von Daniela Rothenberger.

Dies ist dann tatsächlich eingetroffen. Am Wochenende erhielt die Seniorin einen vorübergehenden Beistand. Das sei das erste Mal in ihrem Leben, dass so etwas passiere, sagt Rothenberger. Sie sei immer stolz auf ihr Recht auf Selbstbestimmung gewesen. «Ich möchte eigenständig bleiben. Wenn ich Hilfe brauche, unterstützt mich meine Familie.» Gegen ihren Wunsch und Willen hat sich das aber nun geändert. (paa)

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Ich nenne sowas immer "Arbeitnehmer-Intensivhaltung". Es überrascht mich nicht, dass es sowas in der Schweiz resp. in Graubünden gibt. Ich hatte mal eine Firma verklagt, weil ich fristlos entlassen wurde. Fünf kontaktierte Rechtsanwälte in Chur rieten mich wegen Aussichtslosigkeit von einer Klage ab. Ich habe trotzdem geklagt und der gegnerische Anwalt meinte, sowas sei in Graubünden nicht üblich, dass ein Entlassener eine Firma verklagt. Ich habe sogar in der ersten Instanz uneingeschränkt Recht bekommen. So sieht es in GR aus!

Graubünden: Skandale ohne Ende?
Ob Quadroni Kartellöses meldet, ob man in einer Villa in Chur zu Auspowerlohn notabene querüberfinanziert von der Stadt Chur aufmüpft; ob man Insasse ist im Pflegeheim und die Angehörigen gegen Unrecht aufstehen (quasi direktest-demokratisch) und und endlose Beispiele.
Siehe meinen Kommentar:
https://www.suedostschweiz.ch/panorama/2015-06-08/center-da-sanda-engia…
Die Macht der Gewalt könnte dürfte würde bzw. wird einen erfassen.
Und zwar trotz oder eher wegen sich selbstlobenden Sozialen Institutionen, die im Ernstfall was tun? Mauern? Sich herausreden?
Offenbar muss meist erst von Extern jemand zum Rechten schauen im Wildwest, äh... Wildsüdost?
Republik.ch, Blick.ch, etc.

Zum Thema Mini lohn! Das hat mit einem Fehler intern nichts zu tun, das ist schlicht und einfach eine Frechheid, von Dummheit kann da auf jeden Fall nicht mehr gesprochen werden, das ist viel mehr. Ich hoffe für diese Frau, dass Sie in Zukunft einen Gerechten Lohn erhält, - inklusiv Nachzahlung! Alle die in diesen Fall involviert waren sollten sich Schämen. 500 Fr. das ist ja kein Lohn das ist ein Trinkgeld. Und sowas passiert in der Schweiz! PFUI

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