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Bericht zeigt Mängel bei Patientensicherheit in Gesundheitswesen

Die Schweiz muss ihre Anstrengungen für die Sicherheit der Patienten und die Qualität erhöhen. Das zeigt ein neuer Qualitätsbericht, der im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit (BAG) erstellt wurde. Mangelhaft sind vor allem die Informationslage und die Fehlerkultur.

Agentur
sda
08.11.19 - 12:02 Uhr
Politik
Die Patientensicherheit und die Qualität der medizinischen Versorgung in der Schweiz müssen verbessert werden. Das zeigt eine neue Studie, die im Auftrag des Bundesamt für Gesundheit erstellt wurde.
Die Patientensicherheit und die Qualität der medizinischen Versorgung in der Schweiz müssen verbessert werden. Das zeigt eine neue Studie, die im Auftrag des Bundesamt für Gesundheit erstellt wurde.
KEYSTONE/ENNIO LEANZA

«Wir haben eine Gleichung, die verbessert werden muss - zwischen dem Mitteleinsatz und der Qualität», sagte BAG-Direktor Pascal Strupler bei der Präsentation des Berichts vor den Medien in Bern. Die Schweiz habe ein gutes Gesundheitssystem, aber eben auch ein Teures. «Es ist eine grosse Arbeit, die auf uns wartet.»

Die Aussage stützt sich auf den Bericht «Verbesserung der Qualität und Patientensicherheit des Schweizerischen Gesundheitswesens», den Anthony Stains, Leiter Patientensicherheitsprogramm beim Waadtländer Spitalverband und Charles Vincent, Professor für Psychologie an der Universität Oxford, aus 18 Kurzberichten geschrieben haben.

Demnach gibt es einige «beunruhigende Fakten», was die Patientensicherheit und die Qualität der medizinischen Versorgung in der Schweiz angeht. So ist die Medikation von 22,5 Prozent der über 65-jährigen «potentiell inadäquat». Zwischen 8 und 15 Prozent der Patientinnen und Patienten erleiden während ihres Spitalaufenthaltes unerwünschte Folgen nach einem Medikamenteneinsatz und bei 4 Prozent der erwachsenen Spital-Patientinnen und -Patienten kommt es zu Wunden wegen zu langem Liegen (Wundliegen).

Stains: «Wir wissen zu wenig»

Der Bericht zeigt gemäss Stains zudem auf, dass in der Schweiz Informationen zur Qualität in der Gesundheitsversorgung und Patientensicherheit fehlen. So habe man etwa vor einiger Zeit zeigen wollen, dass Patienten in der Schweiz im Spital seltener zu Schaden kommen als anderswo.

«Überraschenderweise hat der Blick in die Studie eines Spitals jedoch gezeigt, dass dies nicht so ist», erläuterte Stains. Demnach kommen 12,3 Prozent der Patientinnen und Patienten während ihres Aufenthalts in diesem Spital zu Schaden und müssen mindestens einen Tag länger im Spital bleiben.

Dieses Aussage könne man aber nicht für alle Spitäler generalisieren - und das zeige, dass in der Schweiz solche Erhebungen fehlten. «Man weiss viel zu wenig über die Patientensicherheit». Das habe zur Folge, dass man oft keine Vergleichsmöglichkeiten habe.

Mangelnde Fehlerkultur

Stains verwies auf einen weiteren Mangel: «Es erscheint uns, dass die Patientensicherheit und die Qualität in Gesundheitseinrichtungen nicht die nötige Priorität geniessen», sagte Stains im Namen der beiden Autoren. Gemäss einer Querschnittsbefragung aus dem Jahr 2011 in Schweizer Spitälern, auf welche im Bericht verwiesen wird, planen 38 Prozent der Spitäler keine Strategie für eine bessere Fehlerkultur.

Dabei geht es etwa um die systematische Einführung einer Fehlerkultur. Das fängt etwa damit an, das Personal zu ermutigen, mit Patientinnen und Patienten offen über Fehler zu sprechen. Nach schädigenden Ereignissen sollten alle Betroffenen zudem besser unterstützt werden.

Derzeit hätten Finanzen oder Bauprojekte bei Verwaltungsräten und der Leitung von Gesundheitseinrichtungen eine weit höhere Priorität als Qualität und Sicherheit. «Das muss sich ändern», sagte Stains.

Stimme der Patienten hörbar machen

Zudem müssten gute Rahmenbedingungen für Qualitätsverbesserungen und Innovationen geschaffen werden - dafür müssten Mittel bereitgestellt werden. Auch müssten die Stimmen der Patientinnen und Patienten besser gehört werden.

Als weitere Massnahmen für eine bessere Qualität müsse das Personal besser motiviert und unterstützt werden und die Koordination der Kräfte bei der Patientenversorgung verbessert werden. Insgesamt fehle es an Systematik bei der Umsetzung der Best Practises. Zwar sei noch kein Feuer im Dach, aber man müsse diese langfristige, nationale Aufgabe sofort in Angriff nehmen, schloss Stains.

Neuer Qualitätsartikel tritt in Kraft

BAG-Direktor Strupler verwies darauf, dass mit der Revision des Krankenversicherungsgesetzes, die das Parlament im Juni dieses Jahres angenommen hat, ein neuer Qualitätsartikel eingeführt werde. Damit erhält der Bund die rechtliche Basis und die finanziellen Mittel, um die Qualität und die Patientensicherheit zu stärken.

So würden etwa die Versicherer und Leistungserbringer ab 2021 verpflichtet, zusammen gesamtschweizerisch geltende Qualitätsverträge abzuschliessen. Zudem wird eine eidgenössische, parlamentarische Qualitätskommission künftig Qualitätsprogramme lancieren.

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Wieder ein Artikel, bei dem man lachen könnte, wenns nicht zum weinen wäre.
1)
Medikation bei über 65jährigen zu 22.5% «potentiell inadäquat»? Das scheint mir sehr anbieterfreundlich formuliert. Ich erinnere mich an eine Medienmitteilung in den letzten Jahren, dass Leute in dem Alter etwa 10 Medikamente pro Tag intus kriegen durchschnittlich, wenn sie in einem Heim leben sogar noch deutlich mehr. Das Schweizer System krankt eh an mangelnder Vorbeugung/Verhütung und viel zu falschen Therapien, der Gesundheitstourismus GR sei ein warnendes Beispiel.
Wenn ein Hilfesuchender – von diesem System "Klient" genannt" – hier einen Input geben will, kann er ganz kundenunfreundlich eine Tournee absolvieren, sofern er die Kraft hat, es ist meist ein totes Rennen.
Obiger Artikel im Klartext: Wir pumpen derart extrem viel Geld in das kranke Krankenwesen, dass die Qualität nicht himmelschreiend ist, nicht so auffällt; das Kosten/Nutzen-Verhältnis aber unwirtschaftlich/vergeudend ist, von der leidverursachenden Schädlichkeit für Menschen ganz zu schweigen. Dass Patienten in CH-Spitälern mehrfach aus dem Bett fallen, was schon einen Gesunden crashen könnte, verdutzt mich.
2)
Und als sei das noch nicht schlimm genug, erlebe ich statt FEHLERKULTUR nicht nur ein Fehler-Nicht-Suchen sondern sogar ein Fehlermeldungen-Abwimmeln. Also das Gegenteil von Howard Carpendale, der sagte: «Ich liebe Kritik», was ich sensationell finde.
https://www.suedostschweiz.ch/panorama/2015-06-08/center-da-sanda-engia…
Man könnte sehr grosses Leid(en) mit kleinem Aufwand verhindern, aber keinen interessiert es. Das ist meine Erfahrung.
Das Ganze krankt am MOTIV, es gibt kaum Patientenvertreter (Politiker vertreten meist Anbieter), sondern nur Anbieter, die an Schäden verdienen, aber nicht an Gesunden, Schadensvorbeugung.
Statt tonnenweise Papier/Studien zu produzieren (wozu?), sollte der Staat eine Anlaufstelle schaffen, die Anliegen transparent prüft.
Heisse Luft haben wir eh zuviel.
http://www.snf.ch/de/fokusForschung/newsroom/Seiten/news-171121-medienm…
http://www.snf.ch/de/fokusForschung/newsroom/Seiten/news-190207-medienm…
https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/strategie-und-politik/politische-a…

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