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Vive le français

Mit französischem Hip Hop lernte unser Autor die französische Sprache lieben. Etwas, was der Französischunterricht nicht zu tun vermochte.

11.05.22 - 16:34 Uhr
Die Tracks von NTM massieren mit ihren Bässen das Stammhirn unseres Autors und donnern ihn mental in die Pariser Banlieues.
Die Tracks von NTM massieren mit ihren Bässen das Stammhirn unseres Autors und donnern ihn mental in die Pariser Banlieues.
Bild Unsplash

«OK Boomer» versus «Wa hesch denn du scho erlebt du huere Banane?» Im Blog «Zillennials» beleuchten Vertreterinnen der Generation Z, Nicole Nett und Anna Nüesch, und die Millennials David Eichler und Jürg Abdias Huber in loser Folge aktuelle Themen. Im Idealfall sorgen die vier damit für mehr Verständnis zwischen den Generationen. Minimal hoffen sie, für etwas Unterhaltung, Denkanstösse und den einen oder anderen Lacher zu sorgen.

Ich gehöre zu der Generation, die in der Oberstufe noch Französischunterricht als Pflichtfach hatte. Heute ist Französisch in Graubünden nur noch Wahlfach. Ich kann einerseits gut verstehen, dass man sich in der Schule erst auf die offiziellen Sprachen des Kantons und zusätzlich auf Englisch konzentriert. Andererseits habe ich mich in den vergangenen rund 25 Jahren, die seit meiner ersten Französischlektion vergangen sind, mit der Sprache angefreundet. Mehr noch, ich bin Amateur und Fan. Frankophil wäre wohl ein gar grosses Wort – aber ich habe schon eine gewisse Affinität für das Französische.

Meine ersten französischen Schritte machte ich bereits als kleines Kind. Mit meinen Eltern und meiner Schwester verbrachte ich regelmässig wunderschöne Herbstferien in Südfrankreich. Um ihrem kleinen Spross die Möglichkeit zum Austausch mit der lokalen Bevölkerung zu schaffen, brachten mir meine Eltern ein paar Sätze bei. So bedankte ich mich also einmal beim südfranzösischen Kellner mit einem «merci monsieur» für das Glacé, dass er mir schenkte. Ein Erfolgserlebnis.

Mit dem Eintritt in die Oberstufe begann für mich auch der Französischunterricht und die französische Sprache verlor in meiner Wahrnehmung an Glanz. Ich lernte im Lehrbuch «Echanges» dessen Protagonisten Nicole und Pierre Roussel, Christine Leconte, Marc Cartier, die Katzen Mistigris und Flibustier und den Popstar Luc Tonnère kennen. Ich lernte passé composé, subjonctif, complement d’objet direct und complement d’objet indirect kennen und hassen. Die französische Sprache und ich standen eher auf Kriegsfuss.

In der Handelsmittelschule in Ilanz hatte dann aber eine Kollegin im Turnunterricht eine CD der französischen Hip-Hop-Combo IAM mit dabei.

Dank Hip-Hop verliebte ich mich wieder ins Französisch. Nebst IAM entdeckte ich die Pariser Rapper NTM für mich. NTM steht auch für «Nique Ta Mère» (fick deine Mutter – übertragen in der Bedeutung von «Motherfucker» verwendet) und ich fand es geil, auf Französisch fluchen zu können. Ihre Tracks waren hart und die krass verbrauchte und rauchige Stimme von Joey Starr faszinierte mich. Ich verstand nicht alle Texte, die wütende Stimmung der Pariser Vorstadtviertel war für mich als in der Idylle der Schweizer Berge Geborenen irgendwie dennoch nachvollziehbar.

Etwas ruhiger war MC Solaar unterwegs. Seinen «Nouveau Western» mit dem Sample von «Bonnie und Clyde», das Serge Gainsbourg und Brigitte Bardot im Jahr 1968 sangen, feiere ich noch heute regelmässig, wenn die Nadel meines Plattenspielers die Klänge an die Lautsprecher weitergibt. Ich ging weiter zur Schule und zum Französischunterricht, fand meinen Frieden mit der französischen Sprache aber noch nicht ganz.

Im Studium ging es dann nicht mehr alleine darum, in die Tiefen der Grammatik abzutauchen (oder je nach dem auch darin zu ertrinken), sondern auch darum, sich zu unterhalten, Vorträge zu halten und französische Bücher zu lesen. Ich las «L’amour dure trois ans» von Frédérick Beigbeder und erzählte meinen Kommilitonen etwas holprig davon. Eingeleitet wird der Roman mit: «Was ist daran so kompliziert? Erst liebt man, dann liebt man nicht mehr.» Es geht darum, dass die Liebe in einer Beziehung nach drei Jahren eigentlich vorbei sei und man sich danach nur noch durch eine Beziehung ohne Liebe kämpft. Ein eher zynischer Ansatz. Für einen Vortrag im Französischunterricht aber durchaus geeignet.

Ich habe insgesamt neun Jahre auf Schulbänken vor Französischlehrerinnen und Lehrern verbracht. Vor allem die ersten hatten das schwere Los, einen Pubertierenden dazu zu bringen, Französischwörter zu lernen und die mühsame Grammatik zu lernen. Ich beneide sie nicht darum. Je länger ich mich mit der Sprache beschäftigte und sie anwendete, desto mehr lernte ich, sie aber zu schätzen. Ich verbrachte mehr Ferien in Südfrankreich und unterhielt mich mit Französinnen und dem einen oder anderen Franzosen. Ich machte drei Jahre Militärdienst als Chef Kommunikation in einer französisch-deutschsprachigen Brigade und hatte als Bundesangestellter auch beruflich mehr mit Französisch zu tun.

Heute – und das wage ich jetzt einfach mal zu behaupten – kann ich auf Französisch durchaus eine alltägliche Unterhaltung führen. Und wenn ich, wie letztes Wochenende geschehen, mit dem Auto nach Bern fahre und dabei das letzte Konzert von NTM höre (ab Minute 6 geht das Intro so richtig los und massiert dir dein Stammhirn mit Bässen, die dich mental in die Banlieues donnern), bekomme ich abartige Hühnerhaut und muss die Refrains einfach wild mitrappen (für ganze Songs reicht’s dann doch noch nicht).

In dem Moment finde ich Französisch die geilste Sprache der Welt. Das vergeht zwar relativ rasch wieder und ich finde sie einfach nur normal toll. Nichtsdestotrotz bringt mich diese Erfahrung dazu, einen ausschweifenden Text über meine Liebe zur französischen Sprache zu schreiben. Übrigens: den Subjonctif verwende ich ab und an sogar richtig. Vive le français.

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