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Neuausrichtung

Südostschweiz
02.07.20 - 04:30 Uhr

Spitzensport – für die meisten Athletinnen und Athleten bedeutet dies harte Arbeit, Entbehrungen und eine grosse Portion Leidenschaft. Im Format «Sportlerblog» schreiben junge Bündner Sporttalente über ihren Weg an die Spitze.

von Marino Capelli*

Nicht nur die Saison 2019/20 endete anders als ich es geplant hatte, sondern auch die neue Saison 2020/21 startete anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Da Swiss Ski mich nicht mehr in seine Kader aufgenommen hatte, musste ich im April über die Bücher und schauen, was ich überhaupt wollte – aufhören oder weitermachen. Hier nun mein Weg vom persönlichen Nullpunkt wieder zurück Richtung volle Motivation.

Als ob wegen Corona nicht schon genug zusammengekommen war, kam Mitte April das Telefon von Swiss Ski, dass sie mich nicht mehr für ein weiteres Jahr ins Kader nehmen. Ich war im ersten Moment völlig geschockt, kam doch diese Nachricht für mich auch recht unerwartet. Im November 2019 war mein Vater gestorben und danach hatte ich trotzdem meine beste Saison in der Elitekategorie (u.a. Rang 4 Alpencup und Rang 41 beim ersten Auslandweltcup und somit auch die halbe Kaderselektion für diese Saison). Ich wusste nicht, ob ich mich einfach nur im falschen Film befinde. Mir wurde dann aber ziemlich schnell klar, dass die Nicht-Selektion endgültig ist. Alles Nachfragen bei den Verantwortlichen und das ganze Erklären meiner speziellen Situation hatte nichts gebracht.

Nachdem ich den ersten Schock überwunden hatte, fingen bei mir im Kopf alle Rädchen an zu drehen. Es tauchten tausende Fragen auf. Was nun? Wie soll es weitergehen? Welche Optionen habe ich? Sport oder Rücktritt?

Peking 2022 im Hinterkopf

Nach einer Woche war dann für mich sternenklar, dass ich mit dem Sport unbedingt weitermachen möchte. Ich möchte nicht einfach wegen einer Nicht-Selektion (und unter diesen Umständen) meine ganze Arbeit der vergangenen zehn Jahre in den Sand setzen, zumal ich es auch richtig liebe, was ich mache – das Langlaufen. Mein grosses Ziel sind immer noch die Olympischen Spiele in Peking 2022. Und um dieses zu erreichen, bin ich auch weiterhin bereit, hart zu arbeiten. Schnell zeichnete sich für mich eine Lösung mit dem Bündner Skiverband (BSV) ab.

Da mein Wunschtrainer Toni Livers war, und er nach seinem Rücktritt gleich beim BSV einen Job als Trainer bekam, war das für mich eine super Lösung. Seither konnte ich schon viele Inputs von ihm abholen und auch im technischen Bereich Einiges dazulernen. Zudem funktioniert es auch sehr gut in der neuen Trainingsgruppe. Ebenfalls habe ich immer noch die Möglichkeit, ab und zu im nationalen Leistungszentrum in Davos mitzutrainieren. Nach all den Zweifeln, die ich zu Beginn hatte, bin ich nun überzeugt, dass ich so trainingsmässig für mich etwas Passendes gefunden habe.

Ein neues Kapitel neben dem Sport

Die ganze Situation hat mich auch gleich dazu gezwungen, mir zu überlegen, wie es nach dem Sport weitergehen soll. Ich befasste mich intensiv mit der Zeit nach dem Spitzensport. Bisher wusste ich nicht genau, was ich möchte. Nun weiss ich, was ich mal studieren will. Ich habe aber auch festgestellt, dass ich schon jetzt eine Herausforderung für den Kopf brauche. Da mich psychologische Zusammenhänge sehr interessieren, habe ich mich entschieden, ab September 2020 an der Fernuni Schweiz mit einem Psychologiestudium zu beginnen. Dieses Angebot ist für mich perfekt, da ich das allermeiste von zu Hause aus und wann ich will, erledigen kann. Somit kann ich meinen Sportleralltag im ähnlichen Rahmen wie bis anhin weiterführen.

Glücklicherweise habe ich auch mit meinen wichtigsten Partnern eine Anschlusslösung gefunden. Von meiner bisherigen Skifirma erhalte ich immer noch Skis und auch die Stockmarke kann ich beibehalten. Zudem erhalte ich von einem Ausrüster Kleider und Laufschuhe, damit ich auch mein Sommertraining mit top Material absolvieren kann. Als Outdoor-Sportler ist für mich natürlich auch das Thema Sonnenbrille sehr wichtig. Auch hier darf ich weiterhin auf meinen langjährigen Ausrüster zählen. Und zu guter Letzt unterstützt mich auch im Bereich Sportnahrung eine bekannte Firma.

Nun, wo alles mehr oder weniger in die Wege geleitet ist und viele Corona-Einschränkungen gelockert wurden, bin ich sehr optimistisch, dass alles gut kommt. Ich freue mich bereits jetzt auf den Winter und möchte dann zeigen, dass ich auch ohne Kader gute Resultate erzielen kann.

*Der 24-jährige Davoser Marino Capelli ist Langläufer im Eliteteam des Bündner Skiverbands. Seit er mit sechs Jahren mit dem Langlaufen begann, hat ihn diese Leidenschaft nicht mehr losgelassen. Seit der Matura am Sportgymnasium Davos 2016 ist Capelli Profilangläufer. Für «suedostschweiz.ch» berichtet er seit der Saison 2019/20 über seine Erlebnisse und Erfahrungen als Sportler.

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