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«Friendzone» 

Nun, da die Lockerungen in Kraft getreten sind, lockere auch ich meinen Lebensstil wieder ein wenig und geniesse die Vorzüge des Lebens. Das führt allerdings auch zu Situationen, die ich gerne in der Vergangenheit gelassen hätte.

Single
Böckin
14.07.21 - 17:28 Uhr
Bild Pixabay

Bau ein Haus, pflanz einen Baum, mach ein Kind – dass dieser Lebensentwurf nicht zwangsläufig auf jeden Menschen zugeschnitten ist, beweisen die anonymen Liebesbriefe ans wunderschöne, elende Single-Leben. Ein Hoch auf Selbstgespräche, Dosen-Ravioli und Liebeleien.

Nun, da die Lockerungen in Kraft getreten sind, lockere auch ich meinen Lebensstil wieder ein wenig und geniesse die Vorzüge des Lebens, das wir einmal kannten. Das führt allerdings auch zu Situationen, die ich irgendwie gerne in der Vergangenheit gelassen hätte.

Eine ist mir vor ein paar Tagen widerfahren, als ich mich mit einem guten Freund am Abend auf ein, zwei Bierchen getroffen habe. Wir haben uns seit einigen Wochen nicht mehr gesehen, also gibt es viel zu erzählen und man verliert sich schnell in der bittersüssen Nostalgie der gemeinsamen Zeit. Es ist vertraut und irgendwo auch schön. Da kann es gut und gerne dazu kommen, dass sich eine gewisse Anziehung ausbreitet. Es ist ja nicht so, als wäre in den letzten Monaten ausserordentlich viel gelaufen.

Irgendwie verwickeln wir uns in diese verzwickte Situation der gegenseitigen Anziehung und ich bin da bestimmt nicht unschuldig. Wirklich bewusst habe ich diese Entscheidung allerdings nicht getroffen, denn ich würde mich keinesfalls freiwillig in ein solches Szenario bringen. Es ist für mich schlicht eine «rote Zone». Niemals würde ich eine Freundschaft aufs Spiel setzen für ein wenig Spass.

Was also als freudiges Wiedersehen begonnen hat, hat irgendwie in einer beinahe unangenehmen Situation geendet, aus der ich mich gezwungenermassen grazil gewunden habe. Theoretisch war die «Friendzone» bei uns nie ein Problem, da wir bereits wortwörtlich Freunde waren, aber die kleinen Flirtereien sind neu gewesen. Es hat eine Weile gebraucht, bis ich realisiert habe, worauf das Ganze hinauslaufen sollte, ehe ich den Riegel vorgeschoben habe.

Oftmals wird die «Friendzone» als etwas Negatives bezeichnet. Schliesslich befindet sich niemand gerne in einer Situation, in der die eigenen Gefühle nicht erwidert werden, doch sie gibt uns auch die Möglichkeit, klare Grenzen zu setzen. Es ist ein Bereich, in dem die ungeschriebenen Regeln klar sind, keine Grauzone, wenig Spielraum. Ein Mittel zum Zweck sozusagen. Eine Unterstützung, um etwas zu bewahren, das man nicht verlieren will.

Und das will ich nicht. Ich will nicht, dass die Freundschaft zerbricht, dafür ist sie zu kostbar. Habe ich die «Friendzone»-Karte gerne gezogen? Nein. War es notwendig? Absolut. Ich bin der festen Überzeugung, uns damit vor Schlimmerem bewahrt zu haben und dass es bloss ein situationsbedingter Moment der Schwäche war, denn es gibt kein Universum, in der wir als Paar funktionieren würden, das wissen wir beide.

Also das nächste Mal, wenn euch eine Person «friendzoned» seht es nicht direkt als etwas Negatives. Es mag im ersten Moment vielleicht einen bitteren Nebengeschmack haben, doch manchmal sollte es nicht sein und es ist ja beinahe ein Ritterschlag, wenn die andere Person einen als Freund oder als Freundin behalten möchte. Es mag am Anfang eine schwierige Aufgabe sein, die eigenen Gefühle und Dränge an zweiter Stelle zu platzieren, doch mit der Zeit wird es einfacher werden. Ob die Person es wert ist, dies zu tun, das entscheidet allerdings jede und jeder selbst.

Oh, und noch ein kleiner Tipp zum Schluss: Die «Friendzone» ist keine Einladung, es weiterhin zu versuchen. Es ist keine Challenge, die es zu gewinnen gibt und es ist auch keine Strafe. Die Grenzen der anderen Person gilt es zu respektieren und sich entweder damit abzufinden oder selbst die Reissleine zu ziehen.

Nun, ich wünsche euch eine schöne Woche und gebt acht auf Eure Freundschaften. Sie sind mindestens so wertvoll wie Beziehungen.

Eure Singleböckin

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