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Datingfaul

Single
Böckin
11.01.21 - 12:58 Uhr

Bau ein Haus, pflanz einen Baum, mach ein Kind – dass dieser Lebensentwurf nicht zwangsläufig auf jeden Menschen zugeschnitten ist, beweisen die anonymen Liebesbriefe ans wunderschöne, elende Single-Leben. Ein Hoch auf Selbstgespräche, Dosen-Ravioli und Liebeleien.

Bei mir läuft in Sachen Dating seit geraumer Zeit nichts. So gar nichts. Totale Flaute. Das liegt zu einem grossen Teil an mir, zu einem kleineren Teil auch an dem lästigen Virus. Nicht, dass ich zuvor grossartig gedatet hätte, aber es war schon ein klein wenig mehr los als seit einigen Monaten. Also, es liegt wohl hauptsächlich an mir.

Ich wünschte, es gäbe eine Möglichkeit, die erste Phase der Beziehung zu überspringen. Umgangssprachlich nennt man diese Zeit die «Talking Stage», also die Kennenlernphase. Objektiv betrachtet wohl die wichtigste Phase, wenn es darum geht, eine gesunde und stabile Grundlage für die Beziehung zu legen. Immerhin lernt man sich während dieser Zeit überhaupt erst kennen und findet heraus, ob es passt, ehe man in die wunderbare Phase der Verliebtheit gleitet.

Die Kennenlernphase ist eng verknüpft mit Dating. Tinder und andere Apps haben dabei die Art und Weise des Datings etwas revolutioniert. Meistens beginnt es bereits in einem Chatroom, ehe man sich dann überhaupt zum ersten Mal so richtig trifft. Bestenfalls hat man dann bereits die Basisthemen abgedeckt. Was übrig bleibt, sind die letzten paar Schritte der ersten Phase, um die Grundlagen zu festigen. Zeitraubend ist es aber genauso, denn schlussendlich spielt es diesbezüglich keine Rolle, ob man einander schreibt oder sich persönlich trifft.

Ich bin absolut kein Fan von endlosem Kennenlernen. Oft merkte ich ziemlich schnell, ob es passt oder nicht. Dieses gewisse Kribbeln in der Magengegend muss gegeben sein und wenn ich das spüre, rausche ich ziemlich schnell durch die ersten Gespräche. Meist ohne den Worten zwischen den Zeilen Beachtung zu schenken und das ist wohl auch der Grund, wieso ich bereits öfters blindlings ins Verderben gestürzt bin. Mir wird schlichtweg zu schnell langweilig. Smalltalk liegt mir nicht, ich brauche Gespräche, die mich fordern und neues Interesse in mir wecken. Meine Familie und Hobbys sind nicht gerade die spannendsten Themen auf der Welt und ich befürchte, dass es mein gegenüber nicht wirklich interessiert, wie viele Geschwister ich habe.

Versteht mich nicht falsch, ich weiss wie wichtig die Basis ist und habe am eigenen Leib erfahren, dass das Überspringen mehr Probleme kreiert als löst. Ich bin nicht umsonst ein grosser Befürworter von offener Kommunikation und trotzdem: die erste Phase via Knopfdruck zu überspringen, wäre grossartig. Es kostet Zeit und Nerven, die immer gleichen Gespräche zu führen und schlussendlich ist es jedes Mal ein Rückschlag, wenn man realisiert, dass das Gegenüber doch nicht das ist, was man sucht. Schliesslich hat man Hoffnung und Zeit investiert, bloss, um schlussendlich eines Besseren belehrt zu werden. Und man wird wieder an den Start katapultiert, wo man das gesamte Theater erneut durchspielen kann.

Ich bin nicht für mein Durchhaltevermögen bekannt und das ist es, was Dating fordert. Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen, wenn man es denn so will. Das Märchen vom Prinzen auf dem weissen Pferd, der eines Tages einfach vor deiner Haustüre auftaucht, ist eben nichts anderes als ein Märchen. Unterm Strich ist Dating nichts anderes als aussortieren und hoffen, dass es eines Tages bei beiden Parteien «klick» macht. Ein Prozess, bei dem es hundert Mal schieflaufen muss, bis man auf Gold stösst. Es ist bei Weitem nicht so romantisch, wie man es sich wünscht, aber die Belohnung ist dafür umso grösser.

Dating und ich sind nach wie vor auf dem Kriegsfuss und das wird sich auch nach dieser Pause nicht gross ändern. Ich sollte mich aber ändern. Zuerst werde ich aber wohl meinen Fehler noch ein paar Mal begehen, ehe ich es tatsächlich einsehe. Immerhin glaube ich an die Liebe auf den ersten Blick und vielleicht liege ich mit meiner Vermutung auch falsch und Märchen existieren tatsächlich. Ich hätte auf jeden Fall nichts dagegen.

Macht's gut und bleibt gesund,

Eure Singelböckin

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