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Heideland, Zermatt, Glacier Express – mehr als Flurnamen

Hans Peter
Danuser
26.11.19 - 04:30 Uhr
Deckelillustration der 3. Auflage von 1881 des ersten Heidi-Zeichners Friedrich Wilhelm Pfeiffer (1822– 1891) in dekorativer und ornamentaler Typographie und mit Figuren-Ensemble. Links ist Heidi mit Katzen zu sehen, unter ihr der Geissenpeter mit Ziegen.
Deckelillustration der 3. Auflage von 1881 des ersten Heidi-Zeichners Friedrich Wilhelm Pfeiffer (1822– 1891) in dekorativer und ornamentaler Typographie und mit Figuren-Ensemble. Links ist Heidi mit Katzen zu sehen, unter ihr der Geissenpeter mit Ziegen.
Deckelillustration der 3. Auflage von 1881 des ersten Heidi-Zeichners Friedrich Wilhelm Pfeiffer (1822– 1891) in dekorativer und ornamentaler Typographie und mit Figuren-Ensemble. Links ist Heidi mit Katzen zu sehen. HEIDI-SAMMLUNG DR. PETER O: BÜTTNER

Hans Peter Danuser und Amelie-Claire von Platen sind im Engadin zu Hause und zeigen uns ihren Blickwinkel. Was bewegt Land und Leute? Wo ist das Engadin stark und wo hinkt es einzelnen Mitbewerbern hinterher? Und was geschieht auf politischer Bühne? Der Blog «Engadin direkt» berichtet persönlich und authentisch.

Im Mai 1978 kreierte ich in Japan den Namen «Heidiland», ein Jahr später liess ich ihn als Marke eintragen, und seither lässt er mich nicht mehr los. Kürzlich wies mich Dr. Peter Büttner, der sich wissenschaftlich mit der Heidi-Geschichte befasst, darauf hin, dass bereits die Autorin Johanna Spyri den Begriff «Heideland» in ihrem Roman verwendet habe.

Und in der Tat: In der noch anonym erschienenen Erstausgabe von «Heidis Lehr- und Wanderjahre», die 1880 erstmals bei Friedrich Andreas Perthes in Gotha verlegt wurde, schreibt Spyri im ersten Kapitel «Zum Alm-Oehi hinauf»: «Wo der Fussweg zu steigen anfängt, beginnt bald Haideland mit dem kurzen Gras und den kräftigen Bergkräutern …» Ab der sechsten Auflage wird das Haideland zu Heideland mit «e», und meint damit das Land der Heide oder Weide, das auch im Namen Lenzerheide steckt. Ursprünglich verstand man unter dem Begriff Heide (veraltet: Haide) eine unfruchtbare, wilde Ödlandschaft.

Im Wallis und in der Zentralschweiz hat der Begriff Matte eine ähnliche Bedeutung. Auch er ist Kern einer Namens- und touristisch bedeutsamen Markenbildung: Zermatt, Matterhorn oder als Familiennamen.

Heiden, Weiden oder Matten sind Begriffe der Land- und Forstwirtschaft: Heideland, das Heidiland! Hingegen weckt Emotionen, weil es den Begriff mit Heidi personifiziert und sofort an dessen Geschichte und Werte erinnert: Natur, heile Welt, Unschuld, Gesundheit. Das Wort erhält damit einen emotionalen Mehrwert – so viel kann ein einzelner Buchstabe ausmachen!

«Mehr Heidi – weniger Greta» las ich im vergangenen Wahlkampf. Zwei Mädchennamen, zwei Welten. Greta kämpft mit den Mitteln moderner Kommunikation für Klima und Umwelt, polarisiert und wird für den Nobelpreis gehandelt, weil ihr mutiger Einsatz und das Klima es wert sind. Heidi steht für Harmonie zwischen Mensch und Natur, gewinnt Sympathien und die Herzen. (Blog: «Warum Heidi boomt», 6. August 2019)

Wie unterschiedlich solche «Flurmarken» verstanden werden können, beobachtete ich beim Relaunch des legendären Glacier Express. Dieser verkehrte von 1930 bis 1975 während jeweils knapp fünf Sommermonaten zwischen St. Moritz und Zermatt samt Matterhorn. Als wir 1980 den Direktoren der drei involvierten Privatbahnen RhB, FO und VBZ zur Eröffnung des neuen Furka-Tunnels einen Relaunch des in Amerika als «Swiss Classic» bekannten Glacier Express vorschlugen, reagierten sie sehr skeptisch.

Sie müssten sich an die Geografie halten und könnten nicht wie Kurdirektoren Heidis Heimat locker ins Engadin verpflanzen. Entsprechend wollten sie den Glacier Express nicht neu lancieren, weil die Passagiere ja wegen des Tunnels den (Rohne)-Gletscher gar nicht mehr sähen. Es war schwierig, sie zu überzeugen, dass der langsamste Schnellzug der Welt seinen Namen nicht wegen des Rhonegletschers trug, sondern weil er die Gletscher der Ostalpen mit jenen der Westalpen und allen dazwischen verband. Der Relaunch hat sich gelohnt: Seit Juni 1982 verzeichnet der Glacier Express acht Millionen Passagieren, gut zehnmal mehr als in den 45 Jahren zuvor.

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