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Gen Süden

Vincenzo
Todisco
03.08.20 - 04:30 Uhr

Das Zusammenleben der Sprachen und Kulturen in Graubünden: Das ist das Thema der Kolumne «Convivenza», die wöchentlich in der «Südostschweiz» und der romanischen Tageszeitung «La Quotidiana» publiziert wird.

von Vincenzo Todisco*

Der Fahrer spricht Deutsch. Wir befahren gerade eine atemberaubende Strecke. Wer zum ersten Mal hier ist, könnte das Gefühl haben, viele Landschaften in einer zu sehen, die Wälder Finnlands, die Seen Kanadas, die Berge Alaskas oder die Ebenen der Tundra. Der ganze Norden auf wenigen Kilometer kondensiert. Das Postauto verschwindet im Tunnel. Ich schliesse die Augen. Als ich sie wieder öffne, herrscht sogleich ein anderes Licht. Das Postauto fährt ins Dorf hinein, fährt um den grossen Block der Post herum (noch weiss ich nicht, dass es das letzte Mal sein wird) und hält vor dem «Barrestaurant». Es heisst «Zum Postillon». Der Fahrer verkündet die Dauer des Halts, normalerweise fünf oder sechs Minuten, und öffnet die Türe. Ich steige aus, überquere die Terrasse und trete ein. Das «Barrestaurant» hat, wie der Name sagt, zwei Funktionen. Auf der linken Seite ist der Saal mit den Tischen, angeordnet wie in der deutschsprachigen Schweiz, auf der rechten Seite der Tresen, der mich an die Bar im Dorf meiner Mutter erinnert. Da sind diese zwei Welten, die einander anschauen. Auch der Fahrer tritt herein und bestellt einen Kaffee. Er bestellt ihn auf Italienisch. Er hat die Sprache gewechselt.

Es ist sehr speziell an einem Ort zu halten, wo eine Sache aufhört und eine andere beginnt. Goethe muss mehr oder weniger dasselbe Gefühl gehabt haben. Er war 37 und der Moment des Aufbruchs in den Süden war gekommen. Am 10. September 1786 kam er in Trento an und fuhr dann Richtung Rovereto weiter: «Da bin ich nun in Rovereto – schrieb er dann – Scheidepunkt der Sprache, weiter nördlich wechselt man noch zwischen Deutsch und Italienisch. Hier habe ich zum ersten Mal einen italienischen Postillon vorgefunden; der Hotelier spricht kein Deutsch…»

Was mich betrifft, ich muss nicht «meine sprachlichen Fähigkeiten beweisen», wie es Goethe tun musste, aber wie er fühle ich, dass ich an einen Ort gelangt bin, wo der Norden aufhört und der Süden beginnt, San Bernardino, und so atmet man im «Barrestaurant» die beiden Seelen. Ich höre die ersten Worte auf Italienisch, den Geruch der ersten Pizza, die diesen Namen auch verdient, verbreitet sich, auch weil hinter dem Tresen ein Holzkohleofen steht, ich trinke den ersten Kaffee, der nicht wie eine Brühe daherkommt, und hab noch Zeit, einen Blick in die «Gazzetta dello Sport» zu werfen. Ich schaue auf die Uhr. Der Fahrer scheint es nicht eilig zu haben. Und trotzdem habe ich ständig Angst, zu spät in das Postauto zurückzukehren. Dieser Ort befindet sich auf der Kippe, wie in einem Luftloch. Das Schwindelgefühl wird im Winter noch stärker, wenn San Bernardino schneebedeckt ist. Man nimmt in der Luft den Geruch des Südens wahr mit dem Schnee, der die Dächer bedeckt und sich an den Strassenrändern anhäuft. Es ist ein zeitloser Moment, eine Melodie, die entschwindet, sobald man sie gehört hat. Ich lasse den Fahrer nicht aus den Augen. Er bezahlt und grüsst. Er geht aus dem «Barrestaurant». Wir steigen wieder in das Postauto, pardon, jetzt heisst es «Autopostale». Wir fahren wieder los. Nach einer kurzen Strecke beginnen die Spitzkehren, die auf die Ebene führen. Der Süden, der bis hierher gefehlt hat, ist jetzt sichtbar.

(Angepasster Text aus «Geografie di…», RSI – Rete Due).


*Vincenzo Todisco ist Dozent an der Pädagogischen Hochschule Graubünden.


Verso sud

di Vincenzo Todisco*

L’autista parla tedesco. Stiamo percorrendo un paesaggio mozzafiato. A chi lo vede per la prima volta potrà sembrare tanti paesaggi in uno, i boschi della Finlandia, i laghi del Canada, le montagne dell’Alaska o le pianure della Tundra, tutto il Nord riassunto in pochi chilometri. Il postale s’infila nella galleria. Chiudo gli occhi. Quando li riapro, c’è subito un’altra luce. Il postale entra in paese, gira attorno al grande caseggiato della posta (ancora non so che sarà l’ultima volta) e si ferma davanti al «baristorante». Si chiama «Al Postiglione». L’autista dice quanti sono i minuti di sosta, normalmente cinque o sei, e apre la portiera. Scendo, attraverso il terrazzo ed entro. Il «baristorante» è così, due cose in una. Sulla sinistra c’è la saletta con i tavolini e le sedie sistemate come nella Svizzera tedesca, sulla destra invece il bancone che mi ricorda il bar al paese di mia madre. Ci sono questi due mondi che si guardano. Entra anche l’autista e ordina un caffè. Lo fa in italiano. Ha cambiato lingua.

È un fatto molto speciale fermarsi in un posto dove finisce una cosa e ne inizia un’altra. Deve essere più o meno la stessa sensazione provata da Goethe. Aveva trentasette anni ed era giunto il momento che partisse per il Sud. Arrivò a Trento il 10 settembre del 1786 e poi continuò il suo viaggio verso Rovereto: «Eccomi a Rovereto – scrisse poi – punto divisorio della lingua; più a nord si oscilla ancora tra il tedesco e l’italiano. Qui per la prima volta ho trovato un postiglione italiano autentico; il locandiere non parla tedesco…».

Per conto mio, io non devo «porre alla prova le mie capacità linguistiche» come dovette fare Goethe, ma come lui sento che sono arrivato in un punto dove finisce il Nord e inizia il Sud, San Bernardino, e così e dentro al «baristorante» si respirano le due anime. Sento le prime parole in italiano, si diffonde l’odore della prima pizza che si possa dire tale, anche perché dietro al bancone c’è un forno a legna, bevo il primo caffè che non sia brodoso e faccio in tempo a dare un’occhiata alla prima «Gazzetta dello Sport». Guardo l’orologio. L’autista non sembra avere fretta. Eppure mi prende sempre la stessa ansia di non fare in tempo a risalire. Questo è un luogo in bilico, come un vuoto d’aria. Il senso di vertigine è ancora più impellente d’inverno, quando San Bernardino è sommerso dalla neve. Si percepisce nell’aria l’odore del Sud con la neve che copre i tetti e si ammassa lungo i due lati della strada. È un momento fuori dal tempo, una musica che svanisce appena l’hai sentita. Non perdo d’occhio l’autista. Paga e saluta. Esce dal «baristorante». Riprendiamo il postale, pardon, adesso si dice corriera. Si riparte. Dopo un breve tratto ci sono i tornanti che scendono verso la pianura. Il Sud, che fin qui è stato una mancanza, adesso si vede.

(Testo riadattato da «Geografie di…», RSI – Rete Due).

*Vincenzo Todisco è docente presso l’Alta scuola pedagogica dei Grigioni.

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