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Stur wie ein Esel

11.02.19 - 04:30 Uhr
PIXABAY

Das Zusammenleben der Sprachen und Kulturen in Graubünden: Das ist das Thema der Kolumne «Convivenza», die wöchentlich in der «Südostschweiz» und der romanischen Tageszeitung «La Quotidiana» publiziert wird.

Wir haben bei uns zu Hause gerade einen kleinen Welpen – einen elfwöchigen Beagle. Ein Markenzeichen der Beagles ist ihr Sturkopf. Und ja, ich muss sagen, das haben wir schnell bemerkt, als der Kleine zu uns kam. Nach dem ersten Jö-Effekt zeigte sich, dass unser Welpe stur wie ein Esel ist. Er macht genau das, was er will. Ich habe zum Beispiel einen ganzen Tag damit verbracht, zu zeigen, dass er auf dem Sessel nichts verloren hat. Erst nachdem ich 100-mal «Nein» und «Pfui» gerufen hatte, gab er endlich auf und verstand, dass der Sessel für ihn tabu ist.

Mit diesen Szenen vor Augen kam mir in den Sinn, dass auch ich ab und zu ein sehr sturer Mensch bin. Das begann bei mir bereits, als ich ein kleines Mädchen war. Vielleicht hat das auch etwas mit meinem Sternzeichen zu tun. Ich weiss nicht recht, ob man nach dem Sternzeichen gehen kann, aber ich bin Skorpion, und ich muss gestehen, dass die Eigenschaften des Skorpions auf mich zutreffen. Ich weiss immer, was ich will, und vor allem, was ich nicht will.

Meine Eltern haben es so nicht nur einfach mit mir gehabt. Bereits als ich noch klein war, merkten sie, dass ich meinen eigenen Weg gehe, meine eigenen Fehler mache und nicht wegen jeder Kleinigkeit nach einem Ratschlag frage. Und wenn etwas schief lief, richtete ich es selbst wieder, ohne etwas zu sagen. Heute bin ich natürlich nicht mehr so extrem und: keine Sorge, ich bin nicht stur wie ein Esel und ich kann durchaus Kompromisse eingehen.

Hoffentlich denken Sie jetzt nicht, dass ich wahnsinnig kompliziert sei und man mit mir nicht auskommen könne. Das stimmt überhaupt nicht. Ich bin der Meinung, dass man auch nicht behaupten kann, dass Eigenwille etwas Negatives sei. Klar, es gäbe vielleicht weniger Diskussionen, wenn man zu allem nur «Ja» und «Amen» sagen würde. Um ehrlich zu sein, glaube ich auch, dass es von Vorteil ist, wenn man zwischendurch für seine Meinung und seine Ideen einstehen kann. Wenn alle immer das machen, was vorgegeben wird oder was die Mehrheit macht, entstehen nie neue Gedanken. Stur zu bleiben, kann sich deshalb auch bezahlt machen.

Wenn ich auf meine Kindheit zurückblicke, denke ich, dass es sicherlich einfacher gewesen wäre, wenn ich ab und zu schneller nachgegeben hätte. Zum Beispiel bei Kleinigkeiten mit meinen Geschwistern. Es ist bestimmt nicht schlecht, wenn man sich hie und da bei der Hand nehmen lässt. Ein Vorteil, den eigenwillige Menschen jedoch haben, ist sicherlich, dass sie sich nicht so schnell herunterziehen lassen und sie für ihre Ziele kämpfen.

Besser wäre aber (wie überall im Leben), einen guten Mittelweg zu finden. Kompromisse bringen uns Menschen nämlich am weitesten. Heute bin ich überzeugt, dass ich in der Lage bin, diesen Weg zu finden, jedoch auch, dass ich mein Leben lang ein bisschen ein Sturkopf bleiben werde.

Im Moment muss ich dickköpfig sein, um bei unserem kleinen Beagle dagegenhalten zu können. Mein Kopf gibt nämlich nicht so schnell nach, wenn der Hund sturer ist als ich und Sachen machen darf, die er eigentlich nicht dürfte.

Bettina Cadotsch ist in Savognin aufgewachsen. Sie studiert Multimedia Production an der HTW in Chur und arbeitet bei Radio Südostschweiz.

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