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Good Vibrations? Leider nicht immer

Vibrationen sind allgegenwärtig. Und obwohl sie oft geradezu unmerklich sind, sind sie in der Lage, beträchtliche Zerstörungen anzurichten. Ein vielfach unterschätztes Thema.

Südostschweiz
04.03.20 - 09:15 Uhr
Leben & Freizeit
Quelle: Pixabay
Quelle: Pixabay

Entspannung pur: Wohnzimmersessel, vibrierende Rückenmassagematte, die Beach Boys spielen «Good Vibrations». Ferner könnte der Gedanke an negative Vibrations-Begleiterscheinungen nicht sein. Allerdings braucht es nur einen vor dem Haus kräftig über einen Dolendeckel rumpelnden Laster, um einen auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.

Denn Vibrationen sind vielfach leider das Gegenteil von gut. Und sie kosten jährlich ungezählte Franken durch Schäden.

1. Was Vibrationen eigentlich sind

Was sind Vibrationen aus technischer Sicht? Es sind regelmässige, schnelle Schwingungen.

Diese treten in zwei Formen auf:

  1. Die Vibration durch Beschleunigung. Durch eine von aussen einwirkende Kraft wird ein Körper in kurzer Zeit in eine Richtung beschleunigt, wird am Endpunkt seiner Flexibilität abgebremst (= negativ beschleunigt) und schwingt zurück – so lange, wie die Kraft aufrechterhalten wird.
  2. Die Vibration durch Unwucht einer Kreisbewegung. Sie tritt dadurch auf, dass ein rotierender Körper nicht rechtwinklig zur Drehachse steht oder nicht auf allen Ebenen das gleiche Gewicht hat, sodass ungleiche Fliehkräfte auftreten.

2. Warum Vibrationen so belasten

Vibrationen schädigen durch Einwirkzeit und Stärke. Das gilt grundsätzlich. Konkret geht es um zwei Probleme:

  1. Je härter ein Körper, desto grösser die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Schäden kommt. Das zeigt sich beispielsweise beim Fassadenputz von Gebäuden an vielbefahrenen Strassen, kann aber bei weicheren Materialien auch langsamer vonstattengehen – etwa beim sogenannten Raynaud-Syndrom (Weissfingerkrankheit) das früher viele Wald- und Bauarbeiter befiel, die mit ungedämpften Motorwerkzeugen arbeiteten.
  2. Vibrationen gleich Schall, da Schall nichts anderes als Schwingungen ist. Was bei der Gitarre wohlklingend ist, führt in anderen Fällen nur zu einem Brummen, Dröhnen oder Kreischen, das auf Dauer sogar körperlich schädigend sein kann.

Dabei können Vibrationen auch stabilste Konstruktionen zerstören – was etwa jüngst bei dem schweren Erdbeben in Albanien einmal mehr bewiesen wurde.

3. Wie Vibrationen die Gesundheit beeinträchtigen

Jede Vibration hat eine bestimmte Frequenz. Davon ausgehend gibt es unterschiedliche menschliche Reaktionen:

  • 0,5-Hz                   See- bzw. Luftkrankheit
  • 4,5-10Hz              Magenschmerzen
  • 10-18Hz               Harndrang
  • 10,5-16Hz            Stuhldrang
  • 6-20Hz                  Sprachbeeinträchtigung
  • 8-12 Hz                Muskelverspannungen
  • 8-18Hz                  Kopfschmerzen
  • 20-100Hz             Sehstörungen

Das Problem: Frequenzen <16Hz können Menschen nicht hören. Das führt dazu, dass niederfrequente Vibrationen zu körperlichen Problemzuständen führen können, deren Ursachen sich auf normalem Wege kaum herausfinden lassen – und nicht selten als psychosomatisch fehldiagnostiziert werden. Und je tiefer eine Frequenz ist, desto höher ist ihre Reichweite.

Nicht zuletzt ist ein beträchtlicher Teil dessen, was als «Volkskrankheit Lärmbelastung» bezeichnet wird, auch ein unmittelbares Ergebnis von Vibrationen.

4. Wie Vibrationen reduziert werden können

Vermeiden kann man Vibrationen selten. Dazu ist entweder Stillstand nötig oder eine viel zu teure Präzision – etwa im Strassenbau. Aber es gibt eine allgemeingültige Tatsache: Je schwächer sie sind, desto länger benötigen sie, um Schäden anzurichten. Da das Thema in den vergangenen Jahrzehnten eine umfassende wissenschaftliche Untersuchung erfahren hat, ist heute gut bekannt, wie man Vibrationen auf ein «gesundes Mass» abschwächen kann.

Dazu gibt es primär sechs Methoden:

  1. Eine hochpräzise Fertigung bzw. ein sehr sorgsames Auswuchten rotierender Körper, durch die Vibrationen sehr effektiv in der Entstehung gehemmt werden. Das kann einerseits durch Gegengewichte entstehen (Beispiel Räder von Fahrzeugen) andererseits durch Erleichtern der zu schweren Seite, vorzugsweise durch gezielten Materialabtrag.
  2. Entkoppelung der Vibrations-induzierenden Technik, indem diese über ein Material gehalten, aufgestellt oder angebunden wird, das durch seine hohe Flexibilität in der Lage ist, Vibrationen sehr lange, sehr stark abzuschwächen. Im grossen Massstab in der Industrie kommen dafür Schwingungsdämpfer mit modernster Gummifedertechnologie zum Einsatz; ähnlich wird auch in viel kleineren Massstäben – etwa bei Elektrowerkzeug – vorgegangen.
  3. Entkoppelung der Vibrations-induzierenden Technik durch ein Vakuum – dies wird aber nur bei hochempfindlichen Nischenanwendungen, etwa Laboren, durchgeführt – oder alternativ Luftspalte, da Luft Vibrationen deutlich schlechter überträgt als dichtere Materialien.
  4. Ummantelung der Vibrations-induzierenden Technik oder aber dadurch gefährdeter Bauteile durch eine grosse Masse besonders dichten Materials. Dies kommt etwa beim Neubau eines deutschen universitären Physiklabors zum Einsatz, wo sehr viel, sehr steifer und dicker Beton verbaut werden wird. Zwar leiten dichte Materialien Vibrationen besonders gut; in diesem Fall jedoch verteilen sich die Wellen in der hohen Masse und sind deshalb an ihrem Ende deutlich schwächer geworden.
  5. Gegenvibration. Durch entsprechende Methoden kann die Frequenz jeder Vibration präzise gemessen werden. Dann wird eine gegenpolige Vibration erzeugt, was dazu führt, dass sich beide Vibrationen gegenseitig aufheben. Kommt prominent bei sogenannten Active Noise Cancelling Kopfhörern zum Einsatz.
  6. Umleitung der Vibrationen auf einen sogenannten Schwingungstilger, der statt des eigentlichen Bauteils vibriert. Wird bei Stromleitungen verwendet, kommt aber in erdbebengefährdeten Gebieten in viel grösserem Massstab auch im Hausbau zum Einsatz.

Der grosse Vorteil dieser Massnahmen ist, dass sie mittlerweile für nur jede denkbare Anwendung zur Verfügung stehen – und oft kann man schon selbst durch ein faustgrosses Stück Gummi mehr gegen ein störendes Vibrieren tun als selbst eine teure Massnahme es vermag. 

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