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Grippe ohne mich – Impfschutz für einen starken Winter

Dass man sich mit einer Impfung vor Grippe schützen kann, ist ein Fortschritt in der Medizin. Nebenwirkungen sind nicht belegt, der Nutzen für den Geimpften und seine Umgebung wohl. Trotzdem lassen sich zu wenige Menschen impfen. Ein Plädoyer für den Impfschutz und den Kampf gegen einen sich ständig wandelnden Virus.

Leben & Freizeit
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20.11.19 - 00:00 Uhr
Unser Spezialist

PD Dr. Brack arbeitet seit
13 Jahren als Chefarzt für Innere Medizin am Kantonsspital Glarus. Er wuchs in Amden auf und studierte in Zürich Medizin. Während eines fünfjährigen Auslandsaufenthalts in den USA forschte er über Lungenkrankheiten und bildete sich in der Lungenheilkunde und Intensivmedizin weiter. Heute gibt er sein Wissen aus Theorie und Praxis an der Universität Zürich weiter und sitzt im Gremium für Facharztprüfungen in der Schweiz und Europa.

Wenn das Jahr sich zu Ende neigt und sich die Familien unter dem Weihnachtsbaum versammeln, haben sie Hochkonjunktur: die Grippeviren. Ende Dezember bis Anfang Januar erkranken die meisten Menschen an Grippe. Scheinbar haben die Viren in der kalten Jahreszeit leichteres Spiel, wenn die Menschen näher zusammenrücken und sich weniger draussen bewegen. Erforscht ist dieses weltweite Phänomen jedoch (noch) nicht. Die Viren werden per Tröpfcheninfektion übertragen. Niest jemand im Bus, ohne sich die Hand vor dem Mund zu halten, hat man die Bescherung.
24 Stunden bleiben die Grippeviren dann noch unerkannt im Körper. Die Vorphase ist symptomfrei. Ansteckend ist man dann jedoch schon – und bleibt es eine Woche lang. Husten und Fieber kann man mit Medikamenten behandeln, dem Virus selbst kann man jedoch kaum zu Leibe rücken. Um sich – und seine Mitmenschen – vor Grippe zu schützen, sollte man sich deswegen impfen lassen. Statt Fieber, Husten und Arbeitsausfall gibt es allenfalls einen lokalen Schmerz bei der Einstichstelle. Eine durch die Impfung ausgelöste Erkrankung an Grippe ist nicht möglich. Der Impfstoff enthält nämlich nur abgetötete Bestandteile von Viren, auf die das Immunsystem reagiert und Antikörper produziert. Wenn jemand nach einer Grippeimpfung erkrankt, ist wahrscheinlich einer der 50 anderen Viren im Spiel, die einen grippalen Infekt hervorrufen können. Diese Viren sind weniger gefährlich als Grippeviren.

Viren verändern ständig ihr Erbgut. Jedes Jahr muss deswegen ein neuer Impfstoff entwickelt werden.
Viren verändern ständig ihr Erbgut. Jedes Jahr muss deswegen ein neuer Impfstoff entwickelt werden.

Viren sind variabel

Ein Grippe-Virus ist wie ein Chamäleon, es verändert sich dauernd. Man sagt: Es ist genetisch variabel. Entscheidend für die Bestimmung der Viren und damit für die Produktion der Impfstoffe sind die Antigene auf der Oberfläche der Viren. Als 2006 die so genannte Vogelgrippe in den Medien war, haben Sie sicher vom Virus H5N1 gehört. Die beiden Buchstaben «H» und «N» beschreiben eben jene Oberflächeneigenschaften, gegen welche durch die Grippeimpfung Antikörper gebildet werden. Die Zahlen dahinter spezifizieren die Eigenschaften. Jedes Jahr bevor die Grippesaison beginnt, arbeiten die Virologen fieberhaft daran, dieses Erbgut zu entschlüsseln und den entsprechenden Impfstoff zu produzieren. Man kann sich das ein wenig wie bei einer Wettervorhersage vorstellen: Daten werden ausgewertet, Annahmen getroffen, um möglichst genau vorauszusagen, welcher Virentyp dieses Jahr im Umlauf ist. Dabei orientieren wir uns in Europa an den auftretenden Grippeviren in Australien. Wenn wir Sommer haben, ist in Australien Winter, sprich Grippesaison. Das Bundesamt für Gesundheit listet jeweils die Grippeviren der Saison auf.

Die Grippewelle erreicht die Schweiz meistens Ende Dezember/Anfang Januar.
Die Grippewelle erreicht die Schweiz meistens Ende Dezember/Anfang Januar.

Impfen vor der Welle

Damit eine Grippeimpfung wirkt, muss rechtzeitig vor der Grippewelle geimpft werden – am besten im Oktober oder November. Der Impfschutz hält vier Monate und muss deswegen jährlich erneuert werden. Besonders Menschen, die anfällig sind für Viren oder viel in Kontakt mit (kranken) Menschen sind, sollten sich impfen lassen. Zur Risikogruppe gehören Menschen ab dem 65. Lebensjahr, chronisch Kranke, Schwangere und Frühgeborene ab dem Alter von 6 Monaten für die ersten zwei Winter nach der Geburt. Das Immunsystem kleiner Kinder ist allerdings noch nicht so ausgereift. Deswegen spricht der Impfstoff unter Umständen nicht so gut an wie bei Erwachsenen. Trotzdem bietet er einen gewissen Schutz. Besser ist es, während der Schwangerschaft zu impfen. Schliesslich kann man nie genau voraussagen, wann ein Kind zur Welt kommt. Die Antikörper der Mutter werden dann direkt auf das Baby übertragen und schützen es während der ersten Lebensmonate vor Grippe. Auch dem Gesundheitspersonal wird eine Grippeimpfung dringend empfohlen, da sie bei einer Ansteckung nicht nur sich selbst, sondern auch andere gefährden. Für die Risikogruppen übernimmt die Krankenversicherung die Kosten. Ob Sie dieser Gruppe angehören, können Sie mit dem Grippeimpfcheck auf www.impfen-gegen-grippe.ch herausfinden.

Vorbeugen statt heilen

Ein wichtiges Prinzip der Medizin ist: vorbeugen statt heilen. Impfungen sind ein Paradebeispiel dafür. Die WHO empfiehlt: 75% der Bevölkerung sollten sich impfen lassen. In der Schweiz sieht die Realität jedoch anders aus. Nur rund 15% haben einen Grippeimpfschutz. Über 300 000 Menschen suchen deswegen jährlich den Arzt auf und fehlen bei der Arbeit, weil sie krankgeschrieben sind. Infolge einer Grippeerkrankung kann es auch zu einem Spitalaufenthalt kommen und Folgeerkrankungen wie Lungenentzündungen können sogar lebensbedrohlich werden. Nebenwirkungen beim Impfen sind praktisch keine bekannt. Impfgegner führen vielleicht die Narkolepsie – eine seltene Schlafkrankheit – ins Feld. Dort besteht allerdings nur ein Zusammenhang mit einem Zusatzstoff der Impfung, der in der Schweiz gar nicht im Impfstoff enthalten ist. Um möglichst viel Schutz zu bieten, sind heutzutage Vierfachimpfungen Standard, die den Körper vor vier verschiedene Virentypen schützen. Einen 100%igen Schutz gibt es nie, aber die Quote liegt mit 80% sehr hoch. Echte Alternativen zur Grippeimpfung gibt es nicht.

Männergrippe, Frauengrippe, …

Die so genannte Männergrippe ist kein medizinischer Begriff.
Die so genannte Männergrippe ist kein medizinischer Begriff.

Die so genannte „Männergrippe“ ist medizinisch kein Begriff. Zwar gab es einen gewissen Virenstamm der Gruppe A, der sich am schlimmsten auf junge Männer ausgewirkt hat. Über die Ursachen kann man jedoch nur spekulieren. Möglicherweise hatten diese jungen Männer zum ersten Mal Kontakt mit Grippeviren, sodass der Körper mit einer starken Immunabwehr reagierte. Viel eher kann man von einer „Frauengrippe“ sprechen, da Frauen ein anderes Immunsystem haben – vor allem während der Schwangerschaft. Dann wird die Immunabwehr zu einem gewissen Teil unterdrückt, weil der Körper sonst das Kind abstossen würde. Nicht nur Menschen sind von der Grippe betroffen, sondern auch Tiere. Am bekanntesten sind wohl die Vogel- und Schweinegrippe. Normalerweise bleiben Grippeviren innerhalb einer Tierpopulation. Allerdings können sie sich in Tiergruppen vermehren und sich genetisch so verändern, dass sie auch für Menschen krankheitserregend werden.

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