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Jetzt ist Graubünden telefonkabinenfrei

Vor wenigen Wochen ist auf der Lenzerheide die letzte Telefonkabine in Graubünden ausser Betrieb genommen worden. Die Kabinen werden entweder recycelt oder zum Beispiel als Konzertsaal wiederverwendet.

13.11.19 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Gehört der Vergangenheit  an: Auch die Telefonkabine  in Saas ist durch schnelles Internet ersetzt worden.
Gehört der Vergangenheit an: Auch die Telefonkabine in Saas ist durch schnelles Internet ersetzt worden.
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Die Ära der Telefonkabine ist in Graubünden endgültig vorbei. Im Oktober wurde die letzte Kabine des Kantons auf der Lenzerheide demontiert. «Irgendwo muss man schliesslich aufhören», so Swisscom-Mediensprecherin Esther Hüsler. Seit Januar 2018 muss die Swisscom die Telefonkabinen nicht mehr unterhalten. In den vergangenen Jahren seien Publifone vielleicht einmal pro Tag benutzt worden – und das sei noch eine gute Bilanz, so Hüsler.

Höchstens drei Minuten reden

Ein Rückblick: Zwischen 1880 und dem Ersten Weltkrieg wachsen in der Schweiz einzelne Telefonnetze zu einem dichten nationalen Telefonnetz zusammen. Für Privatpersonen ist ein Telefonanschluss anfangs noch viel zu teuer, wie es auf der Website des Schweizerischen Nationalmuseums heisst. In Post- oder Gemeindestellen, aber auch in Bahnhöfen oder Restaurants lässt sich das in einer Kabine stehende Telefon gegen eine Gebühr benutzen. Sehr populär ist es nicht, 1890 gibt es schweizweit gerade einmal 67 «öffentliche Sprechstationen».

Zum Durchbruch verhelfen der frei stehenden Telefonkabine die Automatisierung der Telefonie und die neu eingeführten Kassierstationen mit Wählscheibe. Doch die Gesprächszeit dauert nur drei Minuten – Münz nachwerfen ist noch nicht möglich.

Im Zweiten Weltkrieg erlebt das Telefonieren in der Schweiz einen «Popularisierungsschub», wie es auf der Website weiter heisst. Das Telefon vermittelt Kontakte zwischen Soldaten im Aktivdienst und Angehörigen und lässt viele erstmals Erfahrungen mit dem Telefon sammeln. In der Folge wird das Telefonieren nach 1945 alltäglich und wegen sinkender Gebühren für breite Bevölkerungsschichten erschwinglich.

1992 erreicht die Ära der Telefonkabinen in der Schweiz ihren Höhepunkt. In diesem Jahr zählen die Schweizerische Post-, Telefon- und Telegrafenbetriebe (PTT), heute die Swisscom, rund 8000 frei stehende Kabinen. Doch mit dem Ausbau des Mobilfunknetzes beginnt ab 1993 der Siegeszug des Handys.

Bald in der Vergangenheit

«In den letzten Jahren waren die Kabinen vor allem noch für Auslandsgespräche beliebt», meint Swisscom-Sprecherin Hüsler. Doch heute sei es einfacher, mit dem Handy solche Gespräche zu führen. Ausserdem habe es für die Telefonzellen nur noch wenige Ersatzteile, welche hergestellt würden. Aus diesem Grund werden bis zum 28. November alle Telefonzellen in der Schweiz entweder abgebaut und recycelt – oder umfunktioniert: «zum Beispiel zu einem Defibrillatorstand, einem Selecta-Automaten oder einem Bücherschrank», sagt Hüsler.

Lieber Internet als Kabine

In Saas ist die Telefonkabine bereits im Jahr 2013 demontiert worden. Auf Initiative der Gemeinde hatten Saaserinnen und Saaser eine an die Swisscom gerichtete Petition für die Erschliessung mit der Internet-Technologie VDSL unterzeichnet. Die Swisscom unterbreitete das Angebot, dass die Gemeinde sich mit 25 000 Franken an den Totalkosten beteiligen müsse. Ausserdem muss sie der Swisscom gestatten, die Telefonkabine abzumontieren. So musste die Telefonkabine der Internet-Technologie weichen. Wiederverwendet wurde die Telefonkabine an der Bahnhofstrasse 11 in Klosters. Dies als «Kulturbox», wobei die Telefonzelle als Ausstellungsraum verschiedener Kunstwerke dient. Die Eröffnungsfeier fand am 30. Juli statt, und auch die erste Ausstellung hatte bereits ihren Platz in der Kabine gefunden.

Auch die Kabine am Churer Postplatz erfuhr eine Umgestaltung. Die Kammerphilharmonie Graubünden hatte sie zu ihrem ersten eigenen Konzertsaal umfunktioniert. Die Zuhörer konnten mit der Wählscheibe aus einer breiten Palette an Stücken auswählen, die allesamt im Programm der Kammerphilharmonie Graubünden zu finden sind.

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