×

Schaurige Geschichten aus alter Zeit

Kolumnist Martin Mühlegg ist viel im Linthgebiet unterwegs und hält dabei Augen und Ohren offen. So entdeckt er immer wieder interessante Gegenstände, die er in seiner Kolumne vorstellt.

Linth-Zeitung
23.01.19 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Das Buch «Sagen und Legenden rund um den Zürichesee» von Peter Ziegler.
Das Buch «Sagen und Legenden rund um den Zürichesee» von Peter Ziegler.
MARTIN MÜHLEGG

von Martin Mühlegg

Vor vielen Jahren unternahm ein Uzner Jüngling eine kleine Wallfahrt zur Kapelle bei der Grynau. Dort traf er ein Mädchen, das traurig auf einem Koffer sass. Es sagte ihm, dass es nun in den nahen Wald gehen müsse. Der Jüngling bot dem Mädchen an, den sehr schweren Koffer zu tragen. Doch das Mädchen wehrte ab mit den Worten: «Ich habe etwas Schweres verbrochen, das ich dir nicht sagen kann.» Wenn er ihr aber unbedingt helfen wolle, solle er morgen um Mitternacht zum Wald oberhalb der Kapelle kommen.

2005 hat der Wädenswiler Historiker Peter Ziegler das Buch «Sagen und Legenden rund um den Zürichsee» veröffentlicht. Ich nahm es oft zur Hand und würzte meine Ausflugstipps und Reportagen mit den schaurigen und manchmal auch schönen Geschichten aus alter Zeit. Nun ist im Th. Gut Verlag eine Neuauflage mit 80 Sagen und Legenden erschienen. Es ist immer wieder interessant, vor oder nach einem Ausflug nachzulesen, was sich in dem betreffenden Gebiet einst ereignet haben soll.

Wussten Sie zum Beispiel, dass das heutige Rapperswil wegen einer dankbaren Hirschkuh entstanden ist? Kennen Sie die Geschichte vom heiligen Meinrad und den beiden Raben, die seine Mörder überführten? Wenn ja, wissen Sie jetzt, wie die beiden Raben auf das Einsiedler Wappen und auf die Bierflaschen aus dem Klosterdorf gekommen sind. Zieglers Buch berichtet auch über den Grynauer Schlossgeist, der sich von einem verirrten Barbier den Bart schneiden liess. Als aus dem Mund des Schlossgeistes eine riesige Zunge kam, flüchtete der Barbier. Der Schlossgeist musste deshalb weitere hundert Jahre auf seine Erlösung und viel Gold warten. Eine gruselige Geschichte um eine verbotene Liebe spielte sich am Fluchstein ob Herrliberg ab. Er heisst heute Pflugstein und gilt als grösster Findling, der vom einst mächtigen Linthgletscher in den Kanton Zürich getragen worden ist.

Zurück zum Uzner Jüngling: Nach der Begegnung bei der Grynau sprach dieser beim Pfarrer vor. Der Pfarrer sagte, ein guter junger Mann wie er habe nichts zu befürchten, wenn er während der Begegnung die Namen der drei Allerhöchsten anrufe. Als der Jüngling das Mädchen wie abgemacht traf, sagte dieses: «Wenn es in Tuggen zwölf Uhr schlägt, musst du mit deiner rechten Hand mein Haar halten.» Beim achten Schlag donnerte und blitze es. Der Jüngling liess die Haare los und dachte nicht mehr an die Anweisungen des Pfarrers. Der Koffer sprang auf. Pures Gold lag nun vor dem Mädchen zerstreut. Das Mädchen sagte traurig: «In hundert Jahren muss ich wieder zum Linthbord kommen, du hast mich nicht erlöst.» Darauf waren Mädchen und Gold verschwunden.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Leben & Freizeit MEHR